2289 - Der eiserne Finger Gottes
der Tiefe gab, was nicht oft der Fall war.
„Ich habe gearbeitet", sagte er. „Da kann ich nicht auf anderes achten."
Aussichtslos, sie da zu suchen, dachte Tum. Er blickte die Kanäle entlang, über die schmalen Wege und die abgeteilten Felder und Gärten. Zahllose Gestalten bewegten sich dort, zehntausend Punkte. Köpfe und Hände und Rücken. Jeder von ihnen mochte Hy'valanna sein. Aber vielleicht war sie gar nicht bei den Bauern untergetaucht.
„Ich danke dir", sagte er. „Wenn du sie siehst, sag ihr, sie findet mich bei Ayussuk, dem Waffenschmied."
Langsam ging er zurück zur Stadt. Hy'valanna mochte auch zur Stadt gegangen sein.
Vielleicht hatte sie sich aufgemacht, in der Wüste zu sterben, weil ihr aufgegangen war, dass sie den geliebten Herrn doch nicht würde retten können.
Er fauchte leise. Geliebter Herr, dachte er. Geliebter Narr.
Sie konnte überall sein. Händler mochten sie mitgenommen haben, um sie irgendwo zu verkaufen. Oder zu behalten. Eine Karawane. Wandernde Handwerker. Oder sie kannte irgendjemanden, einen Verwandten, der bei den Erzschmelzen in den Bergen arbeitete.
Aussichtslos. Und er hatte sich um vieles andere zu kümmern.
*
Die Tage flogen dahin. Vorbereitungen, Pläne, geflüsterte Besprechungen in Winkeln der Stadt. Irgendwann glaubte er, aus der Ferne Geon-Durns schöne Sklavin zu sehen, konnte aber nicht sicher sein.
Andere Anblicke überlagerten jedoch alles. Vermummte Gestalten, die im Zwielicht der Monde und Sterne, Nacht für Nacht, das Haus des Geon-Durn aufsuchten. Offenbar fanden sie nichts, denn sie kehrten immer wieder. Andere vermummte Gestalten, die sich an einem Karren trafen. Er war mit Abfällen beladen, aber unter den Abfällen steckten Schwerter, Messer und Lanzenspitzen.
Und einmal sah er, ohne es wirklich zu glauben, den Heiligen. Sarrukhat ritt auf einem Sirip in die Wüste, nach Nordosten. Offenbar nicht zu den Erzschmelzen, sondern in ein anderes Gebirgstal.
Aber wie war es möglich, allein, unbewaffnet auf einem Sirip zu reiten? Tum schüttelte sich bei dem Anblick und jedes Mal, wenn er sich erinnerte. Er kannte zu viele Geschichten über Leute, die allein einem Sirip oder mehreren begegnet und von ihnen zerrissen worden waren.
Das alte Raubtier reitet auf einem anderen, dachte er. Und muss ich mich heute bei ihm sehen lassen, im Tempel? Genügt vielleicht morgen?
*
Nachrichten gab es nicht, jedenfalls nicht aus der Heimat, aus Taraon. Aber dann kamen die ersten Flüchtlinge.
Sie berichteten von Verwüstungen. Von Steppenräubern, die auf Sirips ritten und die Vorhut des Heeres bildeten, das sich Grachtovan näherte. Sie seien grausam, hieß es - nicht so grausam wie die Priester, aber fast. Und sie seien siegessicher.
Das eigentliche Heer bestand, wie man behauptete, aus Aufrührern: Bergbewohner aus Taraon, Bauern, die keine Fronbauern mehr sein wollten, Handwerkern, die den Herren- der Tempeldienst abgeschüttelt hatten und nun anderen die mühsam erkämpfte Freiheit weiterreichen wollten.
Daneben gab es seltsame Gerüchte über Sammlungen großer Söldnertruppen. Die Priester seien dabei, Krieger zu werben, um zunächst die Aufstände niederzuschlagen und später den Einen Glauben über die Meere zu verbreiten. Edle hätten ebenfalls begonnen, Bewaffnete zu sammeln, um den verlorenen Besitz zurückerobern und Grachtovan zu schützen.
Alles möglich, dachte er, und alles unwichtig. Für ihn zählten in diesen rasenden Tagen andere Vorbereitungen. Er sprach mit Bettlern und Knechten und Mägden, mit den einfachen Leuten von Grachtovan; einmal wagte er sich sogar zu den Sklavenpferchen der Priester vor, aber ehe er dort mit jemandem sprechen konnte, wurde er verjagt.
Von Sirips. Auch dies war neu und unerhört. Sirips ohne Peitsche von Aufsehern. Eine der Echsen hatte ein Messer nach ihm geworfen und ihn nur knapp verfehlt.
Keine Zeit, darüber nachzudenken. Sirips waren Tiere. Sirips konnten angeblich Gedanken lesen. Aber wenn sie Gedanken lasen und mit Messern warfen, waren sie dann Tiere? Wie konnte es sein, dass Sarrukhat auf einem Sirip ritt, ohne zerfleischt zu werden?
Unaufhaltsam näherte sich der Tag Ein-Mond. Die Mond-Deuter verkündeten jeden Tag Neues: über seine Bedeutung, über die Botschaften des Gottes, der sich neuerdings aus dem Eisernen Finger vernehmen ließ, und die Pläne der Heiligen, den Abend des Tages mit einer besonderen Feier zu kränzen.
Alle wussten, welche Feier dies sein würde. Man
Weitere Kostenlose Bücher