2293 - Ein Held für alle Fälle
NATHAN von ihm verlangte. Und Jack glaubte nicht, dass er ihm schon alles gesagt hatte.
Allein seine „heldenhafte" Vergangenheit konnte doch nicht der Grund sein, dass seine Wahl auf ihn gefallen war.
Was steckte also noch mehr dahinter?
Jack seufzte und zwang sich zum Essen'. Es half alles nichts. Der erste Gang war bereits für den heutigen Tag terminiert.
Genauer gesagt: für 15 Uhr. Jetzt war es acht. Ihm blieben also noch sieben Stunden, um sich vorzubereiten und seinen Nachlass zu ordnen.
Mardi würde er den Brück vermachen.
Die Zeit verging quälend langsam. Die Minuten krochen zäh dahin. Bevor eine Stunde abgelaufen war, hatte Jack mindestens zwanzigmal auf die Uhr geschaut und war um keinen Deut schlauer geworden.
Sein Gehirn war wie paralysiert, ein zäher Brei, in dem die Gedanken nur langsam oder gar nicht flössen. Im Grunde war es nur immer dasselbe Bild, das er vor seinem geistigen Auge sah: er, der kleine Jack Reuter, der unbedeutende Techniker als geheimer Geheimagent vor einem riesigen Terminal, an dem er geheimnisvolle Dinge tat und von tausend Augen beobachtet wurde, die alle Eigentum des TLD waren. Und dann: das Podium, das Schafott.
Jack trank viel Milch und Kaffee, um sich wach zu halten. Abrufbereit, immer auf dem Sprung. Ein Geheimagent musste allzeit bereit sein. So kannte er es aus Brads Filmen.
Er spielte ein paarmal mit dem Gedanken, seinen Freund anzurufen, aber Brad hatte jetzt Schicht. Natürlich konnte er ihn auf der Arbeit erreichen, aber wer hörte da alles mit? Nein, das war viel zu riskant.
Und Mardi?
Er war auch da einige Male ganz kurz davor gewesen. Aber dann traute er sich doch nicht. Er hatte Angst vor dem, was sie ihm sagen würde - oder vor den Fragen, die sie vielleicht stellte.
Wenn er sich nur hätte erinnern können! Was, zum Teufel, hatte er ihr noch alles gesagt, als er betrunken gewesen war?
Er hätte Gott weiß was dafür gegeben, diese Stunden im Restaurant ungeschehen machen zu können. Aber das ging nun mal nicht. Er hatte sich diese Sache eingebrockt, nun musste er sie eben ausbaden.
Also versuchte er, sich auf die vor ihm liegende Aufgabe zu konzentrieren und Mardi vorläufig zu vergessen. Nur war das leichter gedacht als getan.
Bis gegen 13 Uhr wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass sie unter irgendeinem Vorwand wieder anrufen würde. Und wenn es erneut „nur" um Winky ging - er würde springen und singen, die Welt wäre wieder ein gutes Stück heller.
Gegen 14.30 Uhr war er so weit, dass er nicht mehr so genau wusste, ob er es auch ganz wirklich wollte. Nein, vielleicht lieber nicht.
Und um 14 Uhr, als er sich bald auf den Weg machen musste, war er entschlossen, gar nicht erst an den Kom zu gehen, wenn er summte.
Seine Herzschlagfrequenz stieg proportional zu den Minuten, die vergingen. Auf einmal schien der Fluss der Zeit sich für ihn umgekehrt zu haben. Sie verrann nicht mehr langsam, sondern viel zu schnell.
Und dann, als er schon die Arbeitsmontur anhatte und seine Utensilien bereitstanden, kam der Anruf.
Jack Reuter hastete im Hechtsprung zum Kom und nahm ihn entgegen. Es war Mardi. „Gott sei Dank, du bist da, Jack", hörte er ihre Stimme. Sie klang aufgeregt. Aufgeregt! Was sollte er da erst sagen! „Jack, wir haben ein Problem."
Er sagte nichts. Er dachte nur: Winky! „Jack, hörst du mich, Jack?"
„N... natürlich", krächzte er. „Jack, Winky hat..."
Also doch. Natürlich Winky. Wieder der alte Trick, der gleiche Vorwand.
Aber das war ihm egal. Sie konnte noch hundertmal wegen Winky anrufen - wenn sie nur anrief. Er würde sofort für sie springen, wenn er... „Jack, Winky scheint einen bösen Schnupfen zu haben. Ist so etwas bei Hamstern nicht sehr gefährlich?" ... nicht in spätestens einer halben Stunde an seinem Bestimmungsort sein müsste. „Jack?"
„Ich ... höre dich."
„Kannst du kommen? Ich mache mir wirklich große Sorgen."
„Ich ... nein", stammelte er. „Nein?"
„Nein, Mardi."
„Gestern hast du mich Cherie genannt."
„Das kann nicht sein."
Sie hüstelte. „Tut mir Leid. Ich verstehe schon. Aber kannst du trotzdem kommen? Jetzt gleich?"
„Nein, Mardi", sagte er hüstelnd. „Ich muss ..."
„Zur Arbeit? Das kann nicht sein. Du hast mir gesagt, dass du die nächsten Tage frei hast - und immer für mich da seist, nebenbei bemerkt.
Oder hast du auch das vergessen?"
Es war vertrackt. Wie erklärte er es ihr nur? Er durfte doch nichts sagen! „Mardi, ich muss weg. Jetzt gleich,
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