2298 - Bericht eines Toten
sah, dass Harinta schon wieder in ihrem Sessel saß. „Was ist passiert?"
„Wir haben einen Treffer abbekommen!", sagte Ertan. „Das weiß ich auch! Eine präzise Meldung, bitte! Dares?"
Ich überprüfte noch die Ortungsdaten. „Einen Augenblick ..." Allmählich konnte ich wieder klar denken, und die Werte bestätigten meine Befürchtungen. „Wir wurden in der Tat getroffen ... von einem Schuss des Kybb-Titanen in der Sonnenkorona! Dem Titanen, der sich nach all unseren Informationen nicht in Schussreichweite befand!" Meine Hände zitterten leicht. Gon-Os Leute waren genauso wenig untätig gewesen wie wir.
Sie hatten die Reichweite ihrer Waffen beträchtlich erhöht. „Der Titan hat seine Position nicht verändert und das Feuer wieder eingestellt."
„Wann können wir auf die Überlichttriebwerke zurückgreifen?"
„Zehn bis zwanzig Minuten brauchen wir noch ..." Kein Holo, nur die Stimme des Chefingenieurs aus dem Maschinenraum. Offensichtlich waren die bordinternen Kommunikationswege noch beeinträchtigt.
Ich erbleichte. Zehn Minuten konnten bei solch einer Schlacht eine Ewigkeit sein, ganz zu schweigen von 20.
Zehn Minuten, in denen wir nicht auf die 50 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen konnten, die wir brauchten, um auf Überlicht zu gehen...
Harinta musste ähnliche Gedanken hegen; sie nagte an ihrer Unterlippe. „Dares, kodierte Rundumschaltung an das gesamte Geschwader!", befahl sie schließlich.
Es dauerte eine Weile, bis ich bestätigen konnte. Sogar die Positroniken schienen nur noch mit einem Bruchteil ihrer eigentlichen Schnelligkeit zu arbeiten. „Kommandantin Ontramo an Geschwader!", lautete der Klartext. „Die FRANCISCO DE ORELLANA ist überlichtuntauglich und gibt die Geschwaderführung an die EDUARD FRIEDRICH POEPPIG ab! Wir werden zum Geschwader aufschließen und wieder übernehmen, sobald die Triebwerke instand gesetzt sind! Bestätigung!"
Diese erfolgte umgehend. Ich nickte.
Im nächsten Moment erhielt Harinta über ihre Konsole einen Befehl der Stabsführung. Sie riss die Augen auf und schüttelte den Kopf. „Kode Gürteltier!", sagte sie.
Fragend sah ich sie an. „Rückzug der Heimat- und Wachflotte sowie der ersten ENTDECKER-Flotte ins Wegasystem!"
„O nein!", murmelte ich leise. Ich spürte, dass ich haltlos zitterte. Der Rückzugsbefehl... Wir wären in Sicherheit' gewesen, im Wegasystem, das Gon-O nicht die Spur interessierte! Und dann das! Ein Treffer, der eigentlich gar nicht hätte erfolgen dürfen! Und jetzt trieben wir ganz in der Nähe eines Kybb-Titanen wehrlos durchs All...
Verdammtes Elend! Das durfte doch nicht wahr sein! „Tot stellen!", befahl Harinta. „Sämtliche überflüssigen Energieemissionen herunterfahren!
Höchste Priorität für die Instandsetzung der Überlichtfähigkeit! Dares, Ortungen? Was geht im Sonnensystem vor?"
Ich war bereits hektisch an der Arbeit. Die Konsolenpositronik traf eine Vorauswahl, erleichterte mir die Aufgabe damit beträchtlich. .„Dares! Daten!"
„Notrufe auf sämtlichen Frequenzen!", meldete ich mit kratziger Stimme. „In der Jupiterbahn kommt es zu Kampfhandlungen!" Die Positronik wertete die Daten aus und setzte sie in holographische Darstellungen um. Ich riss die Augen auf. „So dumm werden sie kein zweites Mal sein!", flüsterte ich.
Der Rechner arbeitete wieder mit gewohnter Geschwindigkeit. Es bereitete mir keine Mühe, in der Mitte der Zentrale ein großes Holo zu erzeugen.
Die beiden Kybb-Titanen hatten mit einer Kurz-Linearetappe den Rest der Flotte erreicht, unsere offensiv- und defensivstärksten Einheiten, darunter sämtliche Schiffe mit Dissonanzgeschützen. Unter diesen Einheiten befand sich nicht nur die TRAJAN; hier standen ebenso die zwölf anderen Schiffe, von denen der Feind wusste, dass sie mit Dissonanzgeschützen ausgerüstet waren - und damit auch, dass sie eine gewisse Gefahr für ihn darstellten. Und die TRAJAN und die zwölf ENTDECKER bildeten die Speerspitze des Flottenkontingents.
Harinta wusste sofort, was ich meinte. „Diesmal sind es keine zwölf, sondern über tausend!"
Ihr Satz klang wie eine Beschwörung.
Bei der Operation Kristallsturm II hatte die TRAJAN für die damals drei freien Kybb-Titanen den Lockvogel gespielt. Nach Kenntnis des Feindes war das USO-Flaggschiff die einzige terranische Einheit gewesen, die über ein Dissonanzgeschütz verfügte, und Gon-O wollte es zuerst ausschalten. Natürlich hatte Rhodan genau damit gerechnet und seinen
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