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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und mußte also die Größe des Beckens in hohem Grade überschätzen. Das wollte ich!
    Als ich meinte, daß es genug sei, hielten wir bei dem Stein an, auf welchem das Gerippe lag dasselbe Gerippe, welches in meinem Traum so vorzüglich schwimmen konnte und so viel gesprochen hatte. Nun aber war es still. Die Beine eng und fast bis zu den Rippen emporgezogen, grinste es uns an, als ob es sich trotz seines Schweigens freue, einen Gesellschafter zu bekommen, der diese entsetzliche Einsamkeit mit ihm zu teilen habe. Er aber sah es nicht und ahnte es auch nicht.
    Wir schoben, damit er das Skelett nicht sofort bemerken möge, das Boot nach der andern Seite des Steins. Kara legte den obern Teil seines Anzugs ab, um ihn nicht zu beschmutzen, und kletterte hinauf. Ich packte den Gefangenen am Genick und richtete ihn empor. Er war fast so starr wie eine Mumie und hatte die Augen zu. War das Ohnmacht, Schreck oder nur Verstellung? Kara faßte ihn von oben; ich schob nach; so brachten wir den Aschyk mit größerer Leichtigkeit hinauf, als zu vermuten gewesen war. Ich hatte angenommen, daß er sich möglichst widersetzen werde. Nun wurden ihm die Fesseln ab- und der Knebel aus dem Munde genommen. Dann stieg Kara wieder zu mir herunter und wickelte ein Paket auf, welches mit den Fackeln zusammengebunden gewesen war. Es enthielt für mehrere Tage Brot. Er warf es hinauf.
    Bis jetzt hatte der Gefangene ruhig gelegen; nun aber regte er sich. Er tastete zunächst wie blind umher. Dann richtete er, auf die Hände gestützt, den Oberkörper auf, starrte erst rundum in die gähnende Finsternis hinein und dann zu uns herunter und stieß dann einen Schrei aus, dessen Echo wie aus Wahnsinnstiefen von allen Säulen widerklang.
    „Was ist das hier, was, was, was, was?“ heulte er. „Die Hölle, in die wir unsere Opfer stürzten! Die Finsternis, über welche wir lachten, wenn wir von oben herablauschten und die Körper auf das Wasser schlagen hörten! Und da liegt Brot, Brot, Brot! Gibt es denn hier noch gute Geister, die sich sogar des Teufels noch erbarmen, wenn er in der Verdammnis zu sich kommt?“
    Er betrachtete uns. Sein Gesicht war vor Angst verzerrt, doch nahm es allmählich einen andern Ausdruck am. Die Wirkung des Schrecks begann zu weichen. Er besann sich.
    „Du bist es, Effendi, du!“ rief er in fast frohem Ton aus. „Also doch anders, anders als ich dachte! Was soll ich hier? Warum habt ihr mich an diesen Ort gebracht?“
    „Du gehörst hierher“, antwortete ich. „Der Mörder zu den Ermordeten!“
    „Ich, ich – mordete nicht! Das waren andere! Diese meine Hand ist frei davon. Ich habe sie nie, nie, nie zum Sturz hergegeben! Sie ist vom Mord rein, rein, rein!“
    Er hob die Hand wie zum Schwur empor.
    „Aber geliefert hast du die Opfer und schadenfroh auf ihren Fall gelauscht. Was ist wohl teuflischer als das! Nun hast du Zeit zum stillen Weiterlauschen! Sie kommen, sie kommen, diese Opfer; darauf verlasse dich! Du wirst sie hören, du Friedensbote unseres Schah-in-Schah! Es ist dir hier der ganze Raum und alle Zeit gegeben für das, was sie mit dir zu reden haben. Wir lassen dich allein; wir werden dich nicht stören!“
    Ich griff zum Ruder, Kara auch.
    „Halt, halt! Bleibt!“ schrie er auf.
    Das Boot begann, sich zu bewegen.
    „Nicht fort, nicht fort – – – nicht fort ohne mich!“ rief er.
    „Ich muß mit, mit, mit!“ bat er. Ganz so, wie wir unten um die Säule bogen, kroch er oben in gleicher Richtung weiter. Da sah er das Skelett und brüllte förmlich auf:
    „Der Tod, der Tod – – – leibhaftig als Gerippe! Hinweg hinweg hinweg! Das halte ich nicht aus!“
    Er erhob sich auf die Kniee, streckte uns die Hände nach und flehte:
    „Erbarmen, Effendi, Erbarmen! Hier gehe ich zu Grunde!“
    Da hielt ich an und antwortete:
    „Was habe ich dir heut früh vorausgesagt? Du werdest auf den Knien liegen und mich um was für eine Erlaubnis bitten?“
    „Dir mein Geständnis machen zu dürfen!“ jammerte er.
    „Nun gut! Ich habe mein Wort erfüllt. Was tust du nun, um dich zu retten?“
    „Die Wahrheit sagen. Weiter kann ich nichts!“
    „So sprich!“
    Ich tat einen Ruderschlag um ihm wieder näher zu kommen. Sobald er dieses Zeichen der Geneigtheit sah, kehrte ihm der verlorene Mut zurück. Noch vor dem Gerippe schaudernd, von dem er sich ab- und zu uns wendete, wagte er doch, von neuem zu lügen und zu leugnen:
    „Ich weiß, du prüfst mich nur, Effendi. Du willst sehen, ob ich ein

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