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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ältesten der Taki-Kurden aufgenommen; in einem Jahre könne er schon Scheik geworden sein, und dann werde sich kein Ustad mehr weigern, die Dschamikun durch einen Bund mit den Taki-Nachbarn so mächtig zu machen, daß sich kein Feind mehr an sie wagen könne.“
    „Ah, so! Das, das ist die Leimrute gewesen, an welcher Tifl hängen geblieben ist! Er glaubte, es gut mit uns zu meinen?“
    „Wie denn anders, Effendi, denkst du etwa, daß Tifl imstande sei, jemals den unseren Schaden zu wollen? Das ‚Kind‘ ist eben noch dumm. Ich habe es zu erziehen. Später, wenn diese Erziehung vollendet ist, wird es keinen Scheik ul Islam mehr gelingen, ihm Sand in die Augen zu streuen. Und das ‚Kind‘ ist nicht bloß dumm, sondern auch gescheit und klug. Es wird sich drüben hei den Taki-Kurden umschauen und sehr bald einsehen, daß man es dort nur an der Nase führen will. Dann kommt es wieder. Darauf kannst du dich verlassen, Effendi. Ich freue mich schon darauf!“
    „Wie hieß das Pferd, welches er gegen uns reiten soll?“
    „Kiss-y-Darr.“
    „Sonderbarer Name! Was ist das für ein Pferd?“
    „Das weiß ich nicht. Tifl hat ihm weiter nichts gesagt, als daß es eigentlich das Eigentum des Ustad sei. Nun aber muß ich in die Küche, Effendi, weil es heute eine große Sukdscha (Kaltschale) mit Zucker und Zitrone gibt. Die hat der Ustad mich gelehrt, zu machen. Sie ist eines seiner Leibgerichte in der warmen Jahreszeit, und so soll er sie heute bei seiner Heimkehr haben.“
    „So hüte dich, wieder Salz anstatt Zucker zu nehmen!“
    „Allah verhüte es! Aber mein Ärger ist noch nicht heraus, und so wäre es wohl kein Wunder, wenn ich's täte!“
    Sie kehrte in ihr Reich zurück, und ich setzte meinen unterbrochenen Weg nach der Pferdeweide fort, wobei ich mich mit einigen Äpfeln versah, nicht nur für Syrr, sondern auch für Assil. Denn, so lächerlich es auch klingen mag, weil es sich doch nur um Tiere handelt, es erschien mir ungerecht, dem einen, wohlverdienten, etwas vorzuenthalten, was das andere bekam, ohne schon auch nur Ähnliches geleistet zu haben. Sie standen beieinander, fast zärtlich Kopf an Kopf. Ich gab ihnen die Äpfel nicht direkt, sondern ich legte sie vor sie hin in das Gras. Beide senkten die Köpfe zu gleicher Zeit, hoben sie aber auch zugleich wieder in die Höhe. Warum? Aus Neidlosigkeit. Edles Blut! Keine Spur von Habgier. Jedes von ihnen sah, daß das andere die Früchte haben wollte und zog darum den Kopf bereitwillig zurück. Keines langte wieder nieder. Syrr aber rieb sein Maul an Assils Hals. War das eine Aufforderung, zu nehmen und zu fressen? Ich hob die Äpfel auf und gab jedem das seinige. Da langten beide zu – – – Tiere!
    Von jetzt an versorgte ich auch Assil wieder mit eigener Hand. Er war das so gewohnt und hatte es verdient.
    Eben als ich beiden Pferden ihre Abendgerste gab, sah ich drüben jenseits der Ruinen einen Reiter kommen, den Duar vermeidend, über Stock und Stein, aus dem hinteren Tal herauf quer auf die Brüche zu. Das war fast waghalsig! Als er den oberen Steinbruch erreichte, erkannte ich ihn; es war – – – Tifl. Als ob das Wort seiner Pekala ihn herbeigezogen hätte! Er lenkte nach dem Glockenweg und dann links ab zu mir. Der Schritt seines Pferdes wurde immer langsamer und zögernder, je näher er mir kam. Endlich hielt er ganz an, wohl über zehn Pferdelängen von mir entfernt.
    „Effendi, darf ich wiederkommen?“ fragte er.
    Ich antwortete nicht. Er wartete eine kleine Weile und fuhr dann verlegen fort:
    „Da drüben ist die Hölle! Ich mag nichts von ihr wissen!“
    Natürlich blieb ich still.
    „Und heut kam der Sonntag! Am Freitag plärrten sie den ganzen Tag. Das klang so kindisch. Fast habe ich mich an ihrer Stelle geschämt! Nun betete ich heut. Sie sahen es. Ich tat es still; ich plärrte, plapperte und murmelte nicht wie sie. Da lachten sie mich aus und schimpften mich einen Kafir (Ketzer). Ich dachte an unsere Glocken, an unseren Sonntagsgesang, an unser Beit-y-Chodeh, an meine gute Pekala, an den Ustad, an dich, Effendi, an alles, alles, alles! Da hielt ich es nicht länger aus. Ich mußte fort, nur fort! Ich kann die Gesichter da drüben nicht leiden. Sie sind so sanft, so fromm und doch so unverschämt! Als ob sie lauter heilige Engel seien und ich ein ganz verlorenes, von Gott verstoßenes Subjekt! Sie wollten mir meinen Chodeh nehmen, den ich verehre. Sie sprachen schlecht von meinem Ustad, den ich liebe. Und sie sprachen von

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