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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hin?“
    „Das weiß ich nicht. Ich konnte ihn nach gar nichts fragen, weil er keine Zeit hatte, mir zu antworten. Aber es war sehr rührend, als er ging, sehr!“
    „Wieso?“
    „Er ergriff meine Hand und streichelte mir mit seiner anderen Hand über den Kopf, so – so –“
    Sie zeigte mir, wie er es gemacht hatte, und fuhr dann fort:
    „Und dazu sagte er: ‚Pekala, wir haben im letzten Jahr viele, sehr viele Lügen gemacht, und der Ustad und der Effendi sind doch so liebe und so gute Menschen, die man auf keinen Fall belügen oder gar betrügen sollte. Versprich mir, daß du ihnen von heute an die volle Wahrheit sagen willst, wenn sie dich nach mir fragen!‘ Da habe ich es ihm versprochen und ihm auch die Hand darauf gegeben, daß ich es halten werde, denn – – –“
    Sie hielt inne, weil ihr die Tränen kamen. Da wischte sie sich die Äuglein und auch das kleine Näslein an die Schürze und fuhr hierauf fort:
    „Denn mit dem Lügen ist es – – – verzeih mir, Effendi! Ich nehme dann nachher zum Kochen gleich eine andere, eine neue Schürze – – – denn mit dem Lügen ist es eine schlimme Sache. Man kann nämlich nicht schlafen, wenn man dich oder den Ustad belogen hat, und so will ich dir denn jetzt ganz offen sagen – – –“
    Sie wischte sich jetzt abermals, und zwar sehr nachhaltig, was sie jetzt nun doch wohl durfte, weil sie ja nachher eine neue Schürze nehmen wollte, und sprach weiter:
    „– – – will dir ganz offen sagen, daß die Sache anders gewesen ist, als ich dir erzählt habe. Es muß vom Herzen herunter, sonst halte ich es nicht aus! Mein Aschyk ist nämlich nicht nur alle Monate gekommen, sondern – – –“
    Da unterbrach ich sie:
    „Laß das jetzt, Pekala! Ich wünsche nicht, daß du dir weh tust.“
    „Ich soll es dir nicht erzählen?“
    „Nein.“
    „Aber da bringe ich es doch nicht herunter und kann heute nacht wieder nicht schlafen!“
    „Doch, doch! Es ist nämlich genau so gut, als ob du es erzählt hättest. Der Ustad und ich verzeihen es dir. Wenn wir es einmal wissen wollen, werden wir dich schon selbst fragen. Dann aber mußt du uns freilich die volle Wahrheit sagen, keine Lüge mehr!“
    Da wurden ihre Äuglein wieder klar; das Näslein verlor die Lust, sich kummerfeucht zu zeigen, und sie antwortete schnell:
    „Lüge? Nie wieder, nie, niemals! Wir sind wahrscheinlich selbst auch belogen worden, besonders vom Scheik ul Islam, der gesagt hat, daß er bloß sein Schreiber sei! Von ihm hat mir mein Aschyk eine Schlechtigkeit mitgeteilt, die ganz unerhört ist!“
    „Ich denke, er hat gar nicht viel mit dir gesprochen!“
    „Das ist auch wahr, aber dieses doch! Denke dir, dieser armselige Scheik des Islam hat behauptet, meine Nase sei zu klein, mein Maul zu groß und mein Gang wie Elefantentrab! Der soll mir einmal wiederkommen! Ich warte schon darauf! Was so eine Lüge anrichtet, das glaubst du gar nicht, Effendi! Ich habe diesen ganzen Tag daran denken müssen und mich vor Ärger wenigstens hundertmal vergriffen. Dem Peder habe ich seinen Kaffee nicht von Bohnen, sondern von Pfefferkörnern gekocht. Denke dir sein Gesicht, als er trank! Den Leuten habe ich Salz anstatt Zucker in die Limonade geschüttet! Und in dem Eierkuchen, den ich für mich selbst gebacken habe, fand ich einen Strang schwarzen Nähzwirn, vier Knöpfe und eine bleierne Flintenkugel. Ist das nicht geradezu fürchterlich, was solche Lügen für schreckliche Folgen haben? Meine Nase zu klein! Wenn dieser Mensch sich wiedersehen läßt, bekommt er den ganzen Eierkuchen ins Gesicht, den ganzen, gleich auf einmal! Ich hebe ihn mir auf! Der liegt bereit, alle Tage, und schwapp, da hat er ihn!“
    Sie machte mir mit den Händen die betreffende Bewegung vor. Ich mußte lachen; sie aber meinte es ernst. Der Aschyk schien seine Pekala zu kennen. Er hatte dem Scheik ul Islam diese Sünden gegen die weibliche Schönheit in den Mund gelegt und damit mehr erreicht, als er durch alle möglichen Warnungen und Ermahnungen hätte erreichen können. Ich durfte überzeugt sein, daß sie den frommen Herrn niemals wieder um eine Naddara bitten werde! Sie fuhr fort:
    „Nur den Lügen dieses Scheik ul Islam ist es zuzuschreiben, daß mein Tifl fortgegangen ist, obgleich ich ihm so gute Worte gab, bei uns zu bleiben. Er hatte ihm weisgemacht, hier bei uns werde er es doch zu nichts bringen; wenn er aber mit ihm gehe und beim Rennen den Kiss-y-Darr reite, werde er sofort unter die

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