23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
ein Geräusch. Man blieb dort stehen, um Licht zu machen, und kam dann herein. Es waren zwei Männer, beide mit unverhüllten Gesichtern. Der eine war der Emir, der andere trug das Licht. Wahrscheinlich war er der von dem Emir ausgestellte Wächter, von dem gesprochen worden war. Er mußte das Vertrauen Ahrimans in hohem Grad besitzen und in alles eingeweiht sein, weil der letztere die Larve nicht wieder vorgenommen hatte, um sich unkenntlich zu machen.
„Zu denken, daß ich zurückkehren und nachforschen werde, dazu war der Kerl trotz seiner sonstigen Geriebenheit zu dumm!“ fuhr der Emir in dem jedenfalls draußen und unterwegs geführten Gespräch fort. „Ich entfernte mich gar nicht, sondern stellte mich einfach draußen hinter die Wasserbeckensäule, um welche ich nur langsam zu kreisen brauchte, als er nach vorn ging, um hinauszuschauen. Es genügte ihm, daß er mich nicht mehr sah. Da ging er wieder hinein. Ich folgte ihm bis an die Tür, wo ich alles sah und jedes Wort verstand.“
„So kennen wir also die Geheimnisse dieses alten Gemäuers doch noch nicht ganz genau!“ meinte der andere.
„Nein. Aber ich habe es mir auch nicht eingebildet, daß wir sie alle kennen. Diese Taki sind so voller Ränke und Schliche, daß man allwissend sein möchte, um hinter alles zu kommen. Es ist nicht Zeit, ihr bisheriges Verhältnis zu diesen Ruinen zu erörtern. Heute gilt es nur, zu erfahren, was sie jetzt mit ihnen bezwecken. Da habe ich denn gehört, daß sie heimlich hereinbrechen wollen durch den Gang, welcher hier mündet. Das ist aber ganz gegen meine Verabredung mit dem Scheik ul Islam. Er will mich betrügen, mich, uns, euch! Nach unserem Plan werden die Dschamikun mit einem Schlag und von allen Seiten überfallen, ohne daß sie vorher etwas ahnen. Ich komme mit meinen Schatten von Osten. Sollte unsere Absicht durch irgend einen Zufall verraten werden, so besetzen sie die Pässe des Hasen und des Kurier. Von dort drängen wir sie in den Duar zurück. Die Taki kommen von Nordwest und die Dinarun über die neue Zugbrücke am Tal des Sackes. So nehmen wir die Dschamikun von allen Seiten. So drängen wir sie rund um den See zusammen und treiben sie in das Wasser. Sie können der gänzlichen Vernichtung unmöglich entgehen. In Betreff der Ruinen aber habe ich extra die strenge Bedingung gestellt, daß sie von niemand berührt werden dürfen, weil ich sie als unser Eigentum betrachte. Die Massaban, welche von den Dschamikun von hier vertrieben wurden, gehörten zu uns; sie sind mir Untertan. Ich habe sie in ihr Eigentum zurückzuführen. Der Scheik ul Islam ist auf diese Bedingung eingegangen. Er hat mir zugesagt, daß keiner seiner Taki-Kurden die Ruinen betreten werde. Vorhin nun stellte er aber, als ich ihn zur Offenheit zwang, plötzlich die Behauptung auf, daß der Taki-Orden diese Bauten errichtet habe und noch heute der Eigentümer ist. Er bezeichnete die Taki als die wirklichen Personen, uns aber als ihre Schatten, ihre Insekten, die für sie zu arbeiten und zu sammeln haben. Und als er glaubte, daß ich fort sei, sagte er zu seinen Begleitern, daß die Taki durch den Gang hier kommen würden, um die Ruinen zu besetzen. Wozu dieser heimliche Plan gegen meine Bedingung? Der Besitz der Ruinen ist ihm wichtiger als sein gegebenes Wort und der Sieg über alle Dschamikun. Sie, sie will er vor allen Dingen haben. Und zwar aus Angst, daß wir doch noch entdecken möchten, was wir bisher noch nicht gefunden haben. Das laß ich mir um keinen Preis gefallen! Besetzt er sie, besetze ich sie auch! Und tut er es geheim, so greife ich zu derselben Heimlichkeit und komme ihm dabei sogar zuvor. Verläßt er sich auf den geheimen Gang, so werden wohl auch wir die Mittel finden, noch eher da zu sein, als er mit seinen Leuten!“
„Stellt das nicht unser ganzes Werk in Frage, Emir?“
„Wieso?“
„Muß es nicht infolge dieser gegenseitigen Eigenmächtigkeiten hier in den Ruinen zwischen dir und ihm zum blutigen Kampf kommen? Wenn die Verbündeten in dieser Weise beginnen, sind die Dschamikun gerettet, und das ganze Land wartet vergeblich auf den Schlag, welcher den Schah entthronen soll!“
„Wie irrig! Du behauptest, mich zu kennen und traust mir doch noch Knabenstreiche zu! Ich sehe weiter als du. Ich habe das Naheliegende festzuhalten, um das Fernerliegende zu erreichen. In den Ruinen hier spielt nur die erste Episode. Die eigentliche Frage ist: Wer soll der Herrscher sein? Der Scheik ul Islam oder ich? Der
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