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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erzeugt und geboren. Darum wird sie, die körpergewordene Reinheit der Frauenseele, sich jetzt von uns entfernen, weil die Tugend geht, sobald das Laster naht!“
    Er trat zur Seite, um Schakara an sich vorüberzulassen. Sie senkte errötend das liebe Gesicht und ging. Die Prinzessin schien vor Erstaunen über diese Verwegenheit keine Worte finden zu können. Sie schnappte förmlich nach Luft. Ihre Augen funkelten; ihre Lippen bebten; die Peitsche zitterte in ihrer Hand; die Antwort aber blieb aus. Da nahm sich der Scheik ul Islam der Beleidigten zornig an:
    „Du scheinst nicht zu wissen, wen du vor dir hast. Diese hochgeborene, edel-gepriesene Fürstin ist unsere allverehrte Schahsadeh Khanum Gul, welche gekommen ist, dich mit ihrer beglückenden Gegenwart zu erfreuen.“
    „Das weiß ich wohl. Ich weiß sogar noch mehr, nämlich daß auch du sie kennst und dich trotzdem nicht schämst, ihre Gegenwart beglückend zu nennen. Wehe dem Volk, dessen geistliche Väter, deren Obersten einer du bist, sich mit den Töchtern des Fleisches verbinden, um dann die Männer beherrschen zu können! Scheik des heiligen Islam läßt du dich nennen? Und nimmst dich, schlau berechnend, des geraden Gegenteils von heilig an? Erscheint dir die Schande nur deshalb so verdienstlich, weil du sie durch die goldene Naddara betrachtest, mit welcher du leichtsinnige Köchinnen zu belohnen pflegst? Dort steht die Tür zu meiner Küche offen. Deine Freundin Pekala und dein Vertrauter Tifl sind bereit, den Segen des heiligen Mannes und des unheiligen Weibes zu empfangen! Du brauchst dich ihnen nicht wieder in der Demut des Schreibers zu nahen. So dumm sie sind, als Meisterstück des Islam erkennen sie dich an!“
    Sein Gesicht erbleichte. Er krallte mit den Händen in seinen langen, dünnen Bart, als ob er sich da festhalten wolle. Er stand wie ein Schulknabe da, der Prügel bekommen hat und sich noch extra dafür bedanken soll. Eine Erwiderung fand er nicht. Dafür aber ergriff nun der Mirza des Wort. Er hatte sich mit den Händen wiederholt nach der schmerzenden Stirn gegriffen. Jetzt sammelte er sich und brach los:
    „Mensch, was ist mit dir, daß du es wagst, in dieser Weise mit uns zu reden! Die Allerhöchsten des ganzen Reiches stehen vor dir! Ist denn hier bei euch alles verrückt geworden, die Menschen sowohl wie auch die Tiere? Wir sind es nicht gewöhnt, daß jede Bestie nach uns schlägt! Sei froh, daß ich jenes Vieh dort nicht sofort erschossen habe!“
    Er zog bei diesen Worten als nachträgliche Drohung seine Pistole halb aus dem Gürtel. Da schüttelte der Ustad lächelnd den Kopf und sagte:
    „Heb diese deine Kugel für euren Iblis auf! Es ist doch – – –“
    „Iblis?“ unterbrach ihn da der Mirza schnell. „Wer hat dir verraten, daß ich den Iblis, den Unbesieglichen, mitgebracht habe? Wer, wer?“
    Da bohrte sich des Ustad Blick in seine Augen, und langsam, schwer, bedeutungsvoll erklang die Antwort:
    „Dein eigener Chodem sagte es dem meinigen!“
    Da fuhr sich der Mirza mit beiden Händen schnell wieder an den Kopf und rief aus:
    „Mein Chodem – Chodem – Chodem! Auch hier wieder, auch hier! Warum läßt er mir seit dieser Nacht keine Ruhe! Ich bin doch fort von ihm! Ich habe ihn stehen lassen! Warum läuft er mir nach, überall, überall! Warum dieser Schlag des Pferdes an meinen Kopf! Der war von ihm, von ihm! Ich soll wahnsinnig werden, verrückt, verrückt! Ich werde es auch, wenn er mir keine Ruhe läßt. Fort, fort! Ich lasse ihn wieder stehen! Mag verrückt werden, wer da will, ab nur nicht ich, nicht ich!“
    Er drehte sich um und lief von dannen, ‚mit gleichen Beinen‘, wie man zu sagen pflegt, mehr als eilig und immer mit der Peitsche um sich herumfuchtelnd, über die Weide – aber dann nicht nach dem Weg – sondern er kletterte, als ob er gejagt werde, gleich an der Mauer nach den Ruinen hinunter – rannte nach dem Zelt der Khanum Gul, warf sich dort auf sein Pferd und jagte derart davon, daß ihn sein sofort auch aufbrechendes, verwundertes Gefolge unmöglich einholen konnte.
    Was aber die Prinzessin und den Scheik ul Islam betrifft, so machten auch sie sich wieder von dannen, ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, beide besiegt und beschämt, wie vielleicht in ihrem ganzen Leben noch kein einiges Mal. Dann schaute der Ustad herauf zu mir und fragte:
    „Denkst du noch an meine Worte? Dieser Geist beginnt bereits seine Schablone zu verlassen. Wie bald, so haben wir es nur noch mit

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