23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
Jugendlicher Stürmer!“
Da lachte er vergnügt, was ihn bei seinem hohen Alter unendlich rührend machte, und sprach die heitere Bitte aus:
„So führe mich auf diesem Weg an deiner Hand so Schritt für Schritt spazieren, wie es für schwache Greise, wie wir sind, sich geziemt!“
„Ja, komm, und hänge bei mir ein! Wir wollen nach dem Gewaltigen suchen gehen, dem Mord und Rosenduft gleichbedeutend sind, weil sich in ihm, dem schon von weitem nur nach intellektuellem Dünger Riechenden, die Empörung gegen die geheiligte Lebensordnung verkörpert.“
„Ob wir ihn aber auch finden werden?“
„Wenn nicht heut, so doch wahrscheinlich morgen. Wir brauchen uns keine Zeit zu nehmen, denn wir haben ja Zeit; es drängt uns nichts! Beginnen wir also von vorn, ganz vorn bei dem Anfang unserer Kenntnis von den Schatten!“
„Das wäre also in jener Tigrisbucht, in welcher die ersten Sillan zu euch kamen?“
„Ja. Welcher Nationalität waren sie?“
„Perser.“
„Gut! Merke dir das! Welchen Titel hatte ihr Anführer?“
„Pädär-i-Baharat, Vater der Gewürze. Er klagte aber darüber, daß er jetzt nur als Sill-i-Safaran, als Schatten des Safrans zu betrachten sei. Auch das war also ein Titel.“
„Bitte, merke dir auch dieses, bis ich darauf zurückkomme! Was hatte er für einen Ring?“
„Einen goldenen. Er bekleidete also eine hohe Charge.“
„Welcher Sill war dann der nächste, den wir trafen?“
„Der Bettler, welcher mit seinem Weib zu euch auf das Floß kam.“
„Ein Perser?“
„Nein. Er hatte einen silbernen Ring war also ein ganz gewöhnlicher Sill.“
„Weiter! Dann?“
„Der Säfir. Er war Perser und hatte einen goldenen Ring.“
„Bitte, fahre fort!“
„Ghulam el Multasim mit dem goldenen Ring und Ahriman Mirza mit seiner noch höheren Auszeichnung beide aber Perser.“
„Du hast die Pascher vergessen, welche wir am Birs Nimrud gefangennahmen. Hältst du sie für Perser?“
„Nein. Denn sie wurden begnadigt, türkische Zollbeamte zu werden, was wohl nicht hätte geschehen können, wenn sie persische Untertanen gewesen wären. Warum fragst du bei diesen allen nach der Nationalität?“
„Weil dies der Weg ist, auf dem wir jetzt miteinander Spazierengehen. Die höheren Sillan waren Perser, die niedrigen aber nicht. Du suchst aber nach dem Ämir-i-Sillan. Wenn alle höheren aus Persien kamen, wo ist da wohl mit fast untrüglicher Sicherheit der allerhöchste erst recht zu finden?“
„Natürlich auch in Persien! Das würde für mich sogar eine ganz unumstößliche Gewißheit sein, wenn es nicht einen Umstand gäbe, der gegen diese Annahme spricht.“
„Ich errate, was du meinst.“
„Nun, was?“
„Daß der Brief unten in Korna aufgegeben worden ist, so weit von hier, auf türkischem Gebiet.“
„Ja, das ist es, Effendi. Es folgt daraus, daß der Schreiber desselben entweder da unten im osmanischen Iraq Arabi wohnt, oder sich zur Zeit, als der Brief geschrieben wurde, dort aufgehalten hat. Du siehst, daß auch ich mit meinen Gedanken spazierenzugehen verstehe!“
„Allerdings! Aber man tut das doch nicht mit zugemachten Augen!“
„Höre, ich glaube, sie ganz gewiß offen zu haben! Oder nicht?“
„Nein. Wenn du sie offen hättest, müßtest du doch wohl den Säfir sehen!“
„Den Säfir? Den sehe ich ja, sogar sehr deutlich. Er befindet sich in den Ruinen von Babylon und hat mit Esara el Awar in Korna, dem das Schreiben übergeben wurde, nichts zu tun.“
„Um so wichtiger aber ist er für die Frage, welche wir beantworten wollen. Sage mir, Ustad, was man unter einem Säfir versteht!“
„Einen Gesandten. Einen Vertrauensmann, welchen man schickt, damit er eine wichtige Angelegenheit erledige.“
„Vollständig richtig! Wer hat diesen Säfir abgeschickt?“
„Natürlich der Ämir-i-Sillan.“
„Wohin?“
„Hinab nach Babylon.“
„Also nach dem Irak, wo auch Korna liegt und wo der Brief aufgegeben worden ist. Ich habe den letzteren in Basra bekommen. Dort aber hat er wer weiß wie lange bei dem Kaffeewirt gelegen, und von Korna ist er wohl auch nicht sofort abgegangen. Nun bitte ich dich, nachzurechnen! Du kennst unsere Erlebnisse. Frage dich: Wann erschien der Säfir in Babylon? Vergleiche hiermit die Zeit, in welcher der Brief in Korna abgegeben worden sein muß. Was findest du dann?“
„Daß diese Zeiten stimmen, daß sie dieselben sind! Effendi, es scheint, du hast die Augen offener als ich!“
„Warte nur; ich bin noch gar
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