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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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genau?“
    „Beschwören freilich könnte ich es nicht. Ich weiß nur, daß ich nie einen Ring mit diesem Zeichen gesehen habe.“
    „Das halte ich ja gar nicht für erforderlich. Es trägt ganz bestimmt nicht jeder Sill einen Ring. Wer einen hat, ist gewiß ein Sill. Ebenso gewiß aber ist es, daß nicht jeder Soldat, dem die Tapferkeitsmedaille fehlt, nicht als Soldat zu gelten habe.“
    „Das ist ja ein neuer Gedanke! Du hältst den Ring also nicht für ein Erkennungs-, sondern für ein Anerkennungszeichen?“
    „Ja. Der Fürst der Schatten wird sich hüten, jedem seiner Sillan, also auch denen, die sich noch gar nicht bewährt haben, einen Ring zu geben! Wenn du bei einem Menschen das Kainszeichen gewahrst, so darfst du getrost annehmen, daß er kein Anfänger im Bösen ist! Hat bei euch noch niemand es zu diesem Zeichen gebracht, so ist das noch kein Beweis, daß es unter euch gar keine Sillan gebe! Bei der Arglist, mit welcher der Ämir verfährt, ist es sogar möglich, daß man Sill sein kann, ohne es bestimmt zu wissen. Ja, du darfst nicht einmal von dir selbst behaupten, daß du noch nie in irgendeiner Weise in seinem Dienst gestanden habest! Du hörst, daß ich keinen deiner Dschamikun direkt verdächtigen will; aber ich frage dich, ob du vielleicht behaupten willst, daß in eurem kleinen Reich nichts als nur Licht vorhanden sei!“
    „Leider ist dies nicht der Fall. Diese ganze Gegend war früher von den Massaban besetzt, jenen ‚Unglücklichen‘, welche verführt worden waren, auf allen möglichen Irrwegen für ihre ‚Unterhaltung‘ zu sorgen. Sie stürzten sich vollständig skrupellos über alles her, was ihnen in die Hände kam, und selbst der edle Lumpenhändler, der hier des Weges fürbaß zog war ihnen noch willkommen und konnte dann mit leeren Händen weitergehen.“
    Als der Peder bis hierher gekommen war, ergriff der Ustad, der zuletzt geschwiegen hatte, mit neu erwachter Lebendigkeit das Wort:
    „Es war die schlimmste Wegelagerei, die man sich unter Menschen denken kann, und niemand war hier seines Eigentums sicher. Es gab bei dem Gesindel kein Bedenken und keinen Unterschied. Heute fiel man über einen Reichen her, und morgen wurde dann in ganz derselben Weise ein armer Schelm bis auf das letzte ausgeplündert. Ich glaube fast, man hätte nicht einmal das geistige Eigentum geachtet und selbst die Manen eines Schiller, Goethe um seine ‚Jungfrau‘, seinen ‚Faust‘ beraubt! Am liebsten hielten sich die Massaban da drüben in den alten Mauern auf, in denen einst die Frömmigkeit verschwundener Völker wohnte. In diesem Schutz wußten sie sich sicher. Und wie sie dort gehaust, das kannst du sehen, wenn du hinüber gehst, um Heiliges zu suchen. Du findest nichts, als nur die Überbleibsel der Zerstörung die alles einst Erhabene vernichtet hat!“
    Jetzt warf er einen forschenden Blick auf mich und fragte:
    „Hast du verstanden, was ich sprach, Effendi?“
    „Ja“, antwortete ich. „Ich habe ja nach diesen Massaban nicht weit zu suchen, grad ich! Sie haben ja auch mich bis auf die Stiefel ausgezogen, obgleich ich doch kein Schiller und kein Goethe bin. Ich traute ihrem scheinbar ehrenhaften Dinarun-Gebaren. Dann aber sah ich freilich ein, daß es ihnen nur daran lag sich meine Person und meine Waffen gegen brave Menschen dienstbar zu machen. Da begleitete ich sie denn in ihre eigene Falle, den Todessprung nicht scheuend, der über ihren Abgrund mich zu bringen hatte. Jetzt hörst du wohl, daß ich begriffen habe, wen du meintest? Sie hatten noch die Blödigkeit, mich vor diesem Sprung zu warnen, ich aber tat ihn doch und ließ sie in dem ‚Tal des Sacks‘ stecken.“
    „Und rettetest dich grad in jene Gegend, von welcher aus sie einst ihr lichtscheues Rittertum betrieben hatten!“ fügte der Ustad hinzu. „Könntest du den Haß ermessen, den sie auf mich warfen, als sie sich von mir aus dieser Gegend verdrängt sahen! Sie, die sich untereinander selbst nie etwas gönnten, sich unaufhörlich miteinander herumbissen und gegenseitig stets die Zähne fletschten, sie fühlten sich sofort als liebe Herzensfreunde, sobald es galt, sich gegen mich zu wenden. Du kennst ja ihren allerletzten Zug den sie, mich zu verderben, unternahmen! Da waren alle schnell bereit, und keiner wollte fehlen! Sogar die Weiber schlossen sich mit an! Und alles, was man sonst ‚Bagage‘ heißt, das wurde mit den Ochsen und mit den Eseln hintendrein geschleppt, um an dem leicht erhofften Sieg teilzunehmen!

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