23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
sei?“ fuhr ich fort. „Oh, es ist sogar noch schlimmer, als ich dachte!“
„Noch, noch schlimmer?!“ wiederholte der Ustad meine Worte.
„Ja! Leider! Drei Montage, drei Montage! Bedenkt es doch!“
„Sprich deutlicher!“ forderte er mich auf.
„Noch deutlicher? Der Montag ist doch der Versammlungstag der Pädärahn!“
„Chodeh! Chodeh!“ rief er da fast schreiend aus. „Auf was für einen Gedanken willst du mich bringen! Es ist unmöglich, ihn zu fassen, und es wäre Wahnsinn, ihn auszusprechen!“
„Und er muß, muß, und muß aber dennoch ausgesprochen werden! Wenn ihr es nicht wagt, so werde ich es tun: Es sind nicht nur Sillan bei euch gewesen, sondern sie verkehren ganz regelmäßig hier. Ja, die Obersten der Sillan, die man Pädärahn nennt, halten an den ‚Montagen des Solds‘ ihre Zusammenkünfte hier auf eurem Gebiet, wahrscheinlich in den Ruinen, in denen diese Peitsche gefunden worden ist!“
Der Eindruck dieser meiner Worte ist gar nicht zu beschreiben! Es war, als ob die beiden, zu denen ich sie gesagt hatte, vollständig sprachlos geworden seien.
„Und in diesen Versammlungen pflegt der ‚Fürst der Schatten‘ persönlich zu erscheinen!“ fuhr ich fort. „Er ist hier gewesen. Er läßt sein Gesicht niemals sehen. Er hat diese Larve getragen. Diese Reitpeitsche ist die seinige. Ob er sie verloren oder vergessen hat, das ist mir gleich. Er fand sie der Dunkelheit wegen nicht wieder, und bis zum hellen Tage konnte er nicht verweilen, weil er sonst von euch gesehen worden wäre. Kam denn der Arzt aus Hamadan zu euch geritten?“
„Nein. Als er getroffen wurde, war er zu Fuß“, antwortete der Peder kleinlaut.
„Aber er kann doch nicht den weiten Weg von Hamadan hierher gelaufen sein!“
„Freilich nicht. Er hatte ein Pferd.“
„Wo?“
„Es war weit draußen vor dem Duar am Ufer des Sees angepflockt.“
„Ich vermute, daß der Altertümler auch eines gehabt hat?“
„Ja.“
„Wo?“
„An derselben Stelle.“
„Habe es mir gedacht! Und das ist euch nicht aufgefallen?“
„Mußten wir es nicht für einen Zufall halten?“
„Zufall! Es gibt ja überhaupt keinen Zufall. Alles, was sich ereignet, geschieht aus gewissen Gründen oder nach einem bestimmten Willen. Wille und Gründe aber schließen jeden Zufall aus. Das sollte man doch endlich einmal einsehen! Und selbst wenn du an das Vorhandensein des Zufalls im allgemeinen glaubtest, so konnte doch in diesen beiden besonderen Fällen von ihm keine Rede sein. Man hatte die Pferde doch nicht aus Zufall zurückgelassen, sondern jedenfalls in der ganz bestimmten Absicht, sie zu verstecken, damit sie nicht gesehen werden sollten. Wem die Pädärahn kommen, so müssen sie nach einem solchen Ritt vor allen Dingen ihre Pferde tränken. Darum steigen sie am See ab, wahrscheinlich immer an derselben Stelle. Ich werde sie mir zeigen lassen.“
„Darf ich dich hinbegleiten?“ fragte er.
„Ja. Doch sage keinem Menschen etwas davon!“
„Nicht? – Warum?“
„Die Sillan, welche hier im Duar wohnen, könnten es erfahren.“
„Effendi, du bist – – – toll, hätte ich beinahe gesagt! Du glaubst an das geradezu Unmögliche!“
Er sagte das in größter Aufregung. Doch um so ruhiger sprach ich weiter:
„Ich bin überzeugt, daß das, was ich vermute, nicht stattfinden könnte, wenn die Feinde hier keine Helfershelfer hätten.“
„Wenn das wahr wäre, so hätten diese sich doch des am Fuß verletzten und auch des in der Nacht verirrten Sill angenommen!“
„Hatte sich der letztere wirklich verirrt? Als er ertappt wurde, sagte er dies als Ausrede. Wer so nahe am Duar vom Pferd steigt und es an den See zur Tränke führt, der will erstens den Duar überhaupt vermeiden und könnte sich zweitens auf keinen Fall verirren, weil er die Zelte und Häuser grad vor der Nase liegen hat. Und wer in den Ruinen herumkriechen will, um nach Altertümern zu suchen, der tut dies doch wohl nicht des Nachts, nachdem er sein Pferd so sorgfältig versteckt hat. Er kommt des Tags, um sich als Fremder Auskunft, Erlaubnis und einen Führer zu erbitten! Ihr seid von einer Arglosigkeit gewesen, die geradezu kindlich ist. Du meinst, die hiesigen Sillan würden sich des Altertümerhändlers angenommen haben. Ich aber denke mir, daß sie von seinem Unfall nichts wußten.“
„Ich kann dennoch deinen Verdacht nicht zu dem meinigen machen. Es gibt bei uns keinen Menschen, der den Ring der Sillan trägt.“
„Weißt du das so
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