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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zurück. Dann fragte er mich:
    „Weißt du, an wen ich bei diesen letzten Zeilen jetzt unwillkürlich denken muß? An Ghulam el Multasim, den ‚Henker‘ des Mirza! So nackt wie er liegen jetzt auch die meinigen vor meinem geistigen Auge. Auch sie waren mit der glatten Salbe eingerieben, die jeden Leib zum Aal, zur Schlange macht. Du wirst sie kennen lernen, alle, alle! Da liegen sie. Du hast ja Zeit zum Lesen!“
    „Ich? Lesen? Was soll ich lesen?“ fragte ich.
    „Diese Zeitungsartikel über mich!“
    Da mußte ich denn aber doch so laut und so herzlich lachen, daß er sichtlich in Verlegenheit geriet.
    „Woher so plötzlich diese Heiterkeit?“ erkundigte er sich.
    „Woher? Das fragst du noch?! Wenn ich mir das sonderbare Bild ausmale, welches dir soeben vorschwebte, so muß ich unwillkürlich an gewisse ‚lustige Blätter‘ denken, welche geistige Gebrechen persiflieren! Und es wäre eine Persiflage meiner selbst, falls ich in jenen Sumpf zurückkehren wollte, über den ich mich schon längst, schon längst hinübergerettet habe. Einst brachte eines jener lustigen Journale eine heitere Abbildung dieses Sumpfes. Er war voller Amphibien, deren Mäuler weit offenstanden. Ein Mensch schritt durch den aufspritzenden Tümpel. Darunter war zu lesen:
    ‚Wir müssen durch den Sumpf des Lebens waten,
Und wenn dabei die trüben Wasser spritzen,
So jammern über unsre Missetaten
Die Frösche alle, die im Schlamme sitzen!‘
    Nun sage mir ehrlich, mein Freund! Verlangst du im Ernst von mir, diese Musik, welche ich gar wohl kennen gelernt habe, noch einmal anzuhören? Als ich damals aus dem Sumpf stieg, drehte ich mich um und lachte herzlich über die Batrachier, die sich zum Platzen quälten, mir zu zeigen, wer und was sie seien. Dieses komische Bild schwebte mir vor, als du vom Lesen dieser deiner Makulaturen sprachst. Begreifst du mich jetzt nun?“
    „Ja“, antwortete er. „Ich begreife sogar noch mehr, als du ahnst!“
    „So laß sehen, ob das wahr ist. Ich habe eine Bitte.“
    „Welche?“
    „Schenke mir diese Zeitungen!“
    „Was willst du mit ihnen tun?“
    „Verbrennen! Ich pflege solche Dinge niemals aufzuheben, noch weniger zu lesen. Sie fliegen stets, sobald ich sie erhalte, in das Feuer. So kommt kein Schatten bei mir auf. Ich will dich von den deinigen befreien. Erfüllst du meinen Wunsch?“
    Da ging er von Kasten zu Kasten, stieß mit dem Fuß an sie und sagte:
    „Das sind die Furien, die Erinnyen, die ich dir ja beschrieben habe. Sie lügen wie gedruckt! – – – Hier die schadenfrohen oder gedankenlosen Nachbeter und Nachtreter, welche bei Gott schwören, daß sie schuldlos seien, weil sie doch bloß nachgedruckt und nichts erfunden hätten! – – – Und da die sogenannten guten Freunde, die stets behaupten, daß sie retten wollen, und doch so ungeschickt dabei verfahren, daß sie mehr schaden als die andern alle. – – – Ich schenke sie dir. Nimm sie hin! Verbrenne sie! Du hast so recht: Ich will hier reine Arbeit machen!“
    „Aber ich verbrenne sie wirklich!“ versicherte ich. „Ich gebe sie dir nicht zurück!“
    „Das weiß ich. Es ist dir ernst! Aber auch mir! Ich will nun endlich, endlich einmal freien Geistes sein.“
    „Ich danke dir! ‚Endlich einmal freien Geistes sein‘ willst du. Weißt du, was du mit diesen Worten gesagt hast? Unfreie Geister gibt es nicht. Wer in Fesseln liegt, ist vielleicht eine Intelligenz, doch niemals Geist! Du willst also nicht mehr bloß ein denkendes, ein nach Regeln, welche von Menschen vorgeschrieben sind, denkendes Wesen sein, sondern ein Geist, für den diese Regeln nur insoweit vorhanden sind, als sie mit seinen eigenen Wegen zusammenfallen. Du willst eine jener über sich selbst bestimmenden Personen werden, welche, wie ich unten ausführte, dem ‚dritten Leben‘ angehören. Das ist ein großer Entschluß, den du nur dann auszuführen vermagst, wenn du den Körper, deinen bisherigen Gebieter, zum gehorsamsten aller deiner Diener zu machen weißt und wenn du deine bisherige Sklavin, die krank in dir darniederliegende Seele, zu deiner Freundin, deiner allereinzigen Freundin erhebst. Denn wisse: der Geist wird ohne Seele nie den Weg empor zum Geist aller Geister finden! Nun also: Sei fortan nur Geist, und – – – such dir deine Seele!“
    Wir standen einander gegenüber, ich ihm erwartungsvoll in das Gesicht schauend, ob er mich begreifen werde, er aber sinnend nach seinen Büchern hinüberblickend, als ob nur dort

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