Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
zum großen Volk machen!‘ Als ich mich dann so weit erholt hatte, daß ich mich erheben und draußen vor der Halle sitzen konnte, da kamst du zu mir, und was und wie du da sprachst, das war im Geist des ersten Testaments gesprochen, der sich im zweiten die Verklärung holte. Nun kam das Heut, der Dankestag. Hättest du in mir noch höher wachsen können, so wäre das da drüben bei eurem ‚Gotteshaus‘ gewiß geschehen. Du zeigtest dich dort Ahriman nicht nur gewachsen, sondern überlegen. Ich schaute zu dir auf, fast staunend, möcht ich sagen! Es stieg der Wunsch in meinem Herzen auf, so groß zu sein und auch so rein wie du. Das war wohl auch der mir nicht klar bewußte Grund, daß ich dann jene Beichte sprach, die mich befreien sollte. Ich wollte deiner würdig sein, ganz still, in meinem Innern!“
    „Mein Freund, mein lieber, lieber Freund!“ rief er gerührt aus.
    „Warte“, bat ich, „und höre weiter! Es wurde Abend. Da stellten sich die finstern Schatten ein. Du zogst sie aus der früheren Zeit herbei und warfst sie leider über deine Gegenwart. Das Licht verschwand. Du wurdest mir fast dunkel. Du ließest diese deine Schatten wachsen. Sie nahmen jene Riesengröße an, von welcher du bei deinem ‚Sonnentag‘ sprachst! Du aber wurdest kleiner, in meinen Augen immer, immer kleiner! Ich sträubte mich dagegen, doch vergeblich. Ich wollte dich, die Hochgestalt, nicht lassen. Und dennoch tatest und sprachst du alles, was dich gering und winzig machen mußte. Du warst für mich nicht mehr der ‚Abraham von Erz‘, an dem kein Schatten fressen, kein Schemen rütteln kann. Du hattest dich in jenen schnellen Hasenfuß verwandelt, der, wenn das dunkle Abbild eines Baumes, die Sonne fliehend, auf sein Lager fällt, rasch auch die Flucht ergreift und, blind vor Angst, im allerschnellsten Lauf von dannen jagt, um seine Feigheit in den Busch zu retten.“
    „Maschallah!“ verwunderte er sich jetzt. „Diesen Eindruck habe ich auf dich gemacht, nur diesen?“
    „Ja!“ antwortete ich.
    „Wie war das möglich?!“
    „Möglich? Sag unvermeidlich! Du sprachst soeben davon, daß ich die Angst nicht kenne. Sie ist mir fast verächtlich. Ich kann sie nicht begreifen. Da plötzlich seh ich die Gestalt, die ehern mir erscheint, als sei sie von des Schicksals eigener Hand gegossen und auf den rechten Platz auf festestem Granit gestellt, von diesem sichern Felsen niederspringen und wie besinnungslos die Flucht ergreifen! Vor wem? Vor nichts als nur vor ihrem eigenen Schatten! Fühlst du mir denn nicht nach, was ich empfinden mußte? Ahnst du denn nicht, daß du dich da in mir zerstören mußtest? Der Ritt durch dein Gedankenparadies, wie war er doch so traurig! Nicht dieser Toren wegen, die es verfallen ließen, nein, deiner heiligen Einfalt wegen, in welcher du aus der Erhabenheit der Berge niederstiegst, um dich in Wüsteneien durchzuhungern und dann sogar den ‚Baum des Schwatzes‘ zu beachten! Du warst mir fast so ideal geworden wie jenes Bild von ‚Akhal, den Durchschauenden‘, den nie ein Mensch betört. Was aber war aus diesem Geiste der Untrüglichkeit geworden, als ich ihn, ‚blind vor Angst‘, die Flucht ergreifen sah, gehetzt von den Phantomen, die ihn auch heut noch nicht verlassen haben!“
    Da ließ er den Kopf sinken und war eine kleine Weile still. Dann warf er ihn mit einer energischen Bewegung wieder empor und sagte:
    „Das war eine böse, böse Sonde, Effendi! Aber du weißt nicht, wie ich dir dafür danke! Ich fühle, daß es in mir licht werden will. Siehst du die Schatten, welche von mir weichen und da, zur Tür hinaus, die Flucht ergreifen? Nicht? Ich auch nicht. Aber ich fühle, daß sie es tun, daß sie von dir aufgestöbert worden sind und mich verlassen müssen. Du hast mir nichts gesagt als nur die Wahrheit. Nun sage mir noch eins: Glaubst du, daß ich die innere Kraft besitze, dir wieder das zu werden, was ich dir vor dem heutigen Abend war?“
    „Ja! Fast bist du es schon wieder! Ich sprach von dem Geständnis und auch zugleich von meiner Freude, bevor wir hier heraufgegangen sind. Das erstere hab ich dir nun gemacht. Die letztere sollst du jetzt mit mir teilen.“
    „Freude? Worüber?“
    „Über dich! Erinnere dich der Strenge, mit welcher du da unten in der Kammer zu mir sprachst! Das war der Mann von Erz! Nicht mehr der Schattenflüchtling! Du wuchsest plötzlich wieder empor. Du setztest deinen Fuß zurück auf den Granit. Ich bitte dich: Steig wieder auf die alte, gute

Weitere Kostenlose Bücher