23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
erschienen, und unten im Dorf begannen die Gewehre laute Antwort zu geben. Wo aber war der Peder? Und wo waren die Wachen, die drüben am Gefängnistor gestanden hatten? Ich sah sie nicht. Da hörten die Glocken auf zu stürmen, und der Ustad kam zu uns herab. Er traf mit dem Händler aus Isfahan und dessen Sohn zusammen, die sich nun auch einfanden. Ich bat, Fackeln anbrennen und vor allen Dingen das Tor wieder verschließen zu lassen. Als das geschehen war, ließ ich die Leute zusammenrufen. Man tat dies mit einer Hast, als ob es nun erst gelte, das zu verhüten, was doch bereits vorüber war. Die Aufregung hatte alle ergriffen, sogar den Ustad auch. Ich aber war gewohnt, mir in jeder Lage meine innere Ruhe zu bewahren, und konnte mich höchstens darüber wundern, daß der Peder sich noch immer nicht sehen ließ. Als ich nach ihm fragte, war es Schakara, welche antwortete:
„Ich sah ihn zu den Gefangenen hinübergehen, und er kam nicht wieder“, sagte sie.
„Wo warst du, als du das bemerktest?“ erkundigte ich mich.
„Hier in der Halle. Ich wünschte, daß Hanneh und Kara schlafen möchten, und bat darum, bei Hadschi Halef wachen zu dürfen. Das gewährten sie mir.“
„Du immer Gute und stets Opferfertige!“ unterbrach ich sie. „Was wollte denn der Peder so mitten in der Nacht bei diesen Fremden?“
„Das weiß ich nicht. Er sprach gar nicht mit mir, wohl weil er mich nicht sah. Als er so gar nicht wiederkehrte, wurde ich besorgt um ihn und ging hinaus auf die Stufen. Da sah ich das Tor des Gefängnisses offen, und die Soldaten kamen leise heraus. Ich erschrak so, daß ich kein Wort hervorbrachte, und doch war Hilfe nötig. Darum eilte ich in das Innere des Hauses und holte die Pistole des Peder, die stets geladen ist. Die schoß ich ab, alle beide Läufe, und dann verriegelte ich die Tür, damit es keinem Feind gelingen möge, zu euch hinaufzukommen. Was dann geschah, das weißt du ja, Effendi.“
Wie kam es doch, daß es meine Hand hinüber zu der ihrigen zog um sie zu drücken? Ich tat es und sprach dabei:
„Wenn der Geist des Hauses von unnützen Dingen träumt oder gar im vollen Wachen sich unvorsichtig erweist, so hat dann freilich die Seele die Augen offenzuhalten. Und die bist du für uns gewesen, o Schakara! Ich vermute, der Peder steckt drüben im Gewölbe und ist Gefangener an Stelle derer, die er festzuhalten hatte. Schauen wir nach ihm!“
„Wird er nicht tot sein?“ fragte höchst besorgt sein Tifl. „Sie können ihn ermordet haben!“
„O nein! Wer zum Wettrennen wiederkommen will wie dieser Multasim, der begeht zwar heimlichen, nicht aber offenbaren Mord. Der Peder wird ihm wie in einer Da'wa'l Ihana (Beleidigungsprozeß) in die Hände gegangen sein und nicht den richtigen Vergleich zwischen sich und ihm getroffen haben. Da bleibt nun uns nichts anderes übrig, als daß wir jetzt ganz ruhig sind und später anders als wie er verfahren. Nun kommt!“
Wir gingen mit zwei Fackeln über den Hof hinüber. Die Flüchtigen hatten infolge der Alarmschüsse gar nicht Zeit gefunden, die Tür fest zuzumachen; sie war nur angelehnt. Im Innern herrschte tiefe Dunkelheit, durch unsere Fackeln aber wurde es hell. Da sahen wir sie am Boden liegen, den Peder und auch die Wächter, mit den eigenen Stricken gebunden und durch Knebel sprachlos gemacht. Alle, die mit hereingekommen waren, stießen Rufe des Erstaunens, der Verwunderung ja des Schreckens aus. Der Ustad schlug die Hände zusammen und wollte sich wahrscheinlich in geharnischten Fragen ergehen; ich aber nahm ihm durch eine schnelle Handbewegung die Zeit dazu und sagte:
„Keiner von euch spreche! Es handelt sich hier um anderes, als ihr denkt! Der Peder hat getan, was er nicht lassen konnte. Schmälern wir ihm also nicht seinen Ruhm! Macht die andern los; sie mögen gehen!“
Während man dies tat, bückte ich mich zu dem Scheik nieder, um ihn zu befreien, von denselben Fesseln, welche für seine und unsere Feinde bestimmt gewesen waren. Auch zog ich ihm den Knebel aus dem Mund. Da stand er langsam auf. Er sah uns an und lächelte. Sonderbar! Er wollte sprechen und brachte doch nichts hervor. Da sagte ich:
„Gib dir keine Mühe, o Peder! Wer sich von den Gegnern die Stimme rauben läßt, der braucht sich vor den Freunden auch nicht anzustrengen!“
Dann drehte ich mich um und ging hinaus. Die andern folgten. Als wir wieder in den Hof kamen, wurde an dem großen Tor Einlaß begehrt. Es waren Dschamikun. Sie hatten einige der
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