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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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befremden, weil die Neugierde doch gewiß so manchen Dschamiki und auch wohl manchen andern hinunter in die alten Bauten treibt. Aber ich sah einiges, was auf keine guten Absichten schließen läßt.“
    „Was war das, Schakara?“
    „Ich halte es für besser, es dir zu zeigen, statt jetzt davon zu plaudern, ohne daß es Nutzen bringt. Jetzt bist du noch zu schwach für solche Anstrengung, doch wird sich das schnell bessern. Dann steigen wir hinab, und du wirst alles sehen, was ich entdeckte. Man sagte mir, daß du heut den ganzen Tag zu schlafen haben werdest. Effendi, tue es! Es kommen schwere Tage, und du hast stark zu sein. Die Kraft, welche du heut verschwendest, kann dir schon morgen fehlen. Glaube mir, ich meine es gut!“
    Das klang so besorgt, so mütterlich, daß ich antwortete:
    „Ich werde diesen deinen Rat befolgen, doch nicht sofort, erst nach der Mittagszeit, wenn Pekala – – –“
    „Pekala?“ fiel sie da rasch ein. „Du wolltest sagen, daß sie dir das Essen bringen werde. Du irrst. Von jetzt an werde ich es sein, die für dich sorgt. Ich lasse dich in keiner andern Hand.“
    Ich wollte das nicht akzeptieren und brachte meine Gründe dagegen vor. Da öffnete sie das kleine Dschasaltäschchen, welches an ihrem Gürtel hing, nahm ein Pergamentkärtchen heraus, gab es mir und sagte:
    „Am Tage nach der Nacht, in welcher man dich und Halef zu uns brachte, sandte ich einen Boten an Marah Durimeh, denn ich hielt es für nötig, daß sie wisse, wie es um euer Leben stand. Ich habe ihr seitdem wiederholt berichtet und Antwort von ihr erhalten. Das letzte, was sie schrieb, sind diese Worte.“
    Ich las: ‚Er sei der Geist; du aber sei die Seele, seine Schwester. Das zeige ihm und grüße ihn von mir. Marah Durimeh.‘
    Da gab ich ihr das Pergament zurück, legte die Hand auf ihr Haupt und sprach:
    „Was meine Freundin sagt, ist immer richtig. Ich will dein Bruder sein; so sorge denn für mich! Jetzt muß ich hinauf zu mir, um den Brief nach Bagdad zu schreiben. In einer halben Stunde wird er fertig sein. Dann esse ich mit dir und Hanneh in der Halle, und da du es so willst, versuche ich hierauf, mich auszuschlafen.“
    Dieses Programm wurde ausgeführt. Die Boten nach Bagdad hatten sich unten im Dorf schon bereitgehalten. Sie gingen ab, sobald sie den Brief bekommen hatten, und nahmen eine Kamelsänfte für den dicken Kepek mit. Halef schlief noch fest, als wir uns zum Essen setzten. Ich bin ein mäßiger Esser; heut aber aß ich doppelt soviel als gewöhnlich. Ich wurde von zwei Seiten hart bedrängt und hatte mich zu fügen. Als ich dann nach oben ging, nahm ich die noch immer im Hausgang liegenden Kleidungsstücke des Bluträchers mit, um sie in der ‚Rumpelkammer‘ aufzubewahren. Oben bei mir angekommen, trat ich auf die Plattform hinaus, um nach dem Stand der Sonne zu sehen. Es war eine Stunde nach Mittag. Da legte ich mich nieder.
    Eigentlich war ich gar nicht müde. Es kamen mancherlei Gedanken, welche Audienz begehrten, und ich gab sie ihnen. Dann nickte ich ein bißchen ein, wachte aber sehr bald wieder auf. Nun griff ich zu künstlichen Mitteln. Ich sagte das ganze große und kleine Einmaleins rück- und vorwärts her, rezitierte in Gedanken Schillers Glocke und noch andere Gedichte, doch alles war vergebens. Dann stand ich wieder auf, zog mich an und schaute nach der Sonne. Es war seit dem Essen kaum eine Stunde vergangen. Was nun tun? In den Werken des Ustad lesen? Seine Zeitungen verbrennen? Ja. Aber da fiel mir ein, daß es doch meine Pflicht sei, einmal nach dem kranken Scheik der Kalhuran zu sehen. Das konnte sofort geschehen. Ich ging also hinab.
    In der Halle saßen Hanneh und Schakara noch beisammen. Das Serir (Speisetischchen) aber war fortgetragen worden.
    „Es ist mir heut unmöglich, einzuschlafen“, sagte ich. „Darum kann ich mein Versprechen leider nicht halten. Hoffentlich bin ich heut abend müde.“
    Da sahen sie einander an. Schakara blieb ernst. Hanneh aber lachte über das ganze Gesicht und sagte:
    „Du kannst nicht einschlafen, Sihdi? Was hast du denn da während der ganzen langen Zeit getrieben?“
    „In welcher Zeit?“ fragte ich belehrend. „Es war ja höchstens eine Stunde!“
    „Eine Stunde? So weißt du also wirklich nicht, daß du einen ganzen Tag geschlafen hast?“
    Tableau, wie man im Abendland sagt! Aber zum Scheik der Kalhuran ging ich nun erst recht, aber natürlich erst, nachdem ich wieder für zwei Mann hatte essen müssen. Der neue

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