23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
Herr des hohen Hauses trat sein Amt, wie es schien, mit vieler Würde an! Der Scheik befand sich in der besten Pflege. Er hoffte, schon in der kürzesten Zeit wieder aufzukönnen. Den Bluträcher erwähnte er nur ein einziges Mal, aber in einer Weise, die mehr als Worte sagte.
Hierauf wollte ich nach den Pferden sehen. Ich hatte nicht weit zu gehen. Barkh und Assil Ben Rih standen im Hof. Kara sattelte sie, um sie auszureiten. Mit seinem Ghalib hatte er schon am Vormittage eine Übungstour gemacht.
„Sihdi, wenn du nur wieder in den Sattel könntest“, sagte er. „Schau nur, wie dich dein Assil bittet!“
Der Rappe machte es allerdings sehr deutlich. Er tänzelte auf allen vieren und schob sich dabei, ich mochte stehen wie ich wollte, so an mir vor, daß ich den Bügel in die Hand bekam. Das war drollig und rührend zugleich. Um dem Pferd eine, wenn auch nur kurze, Freude zu machen, hob ich den Fuß, setzte ihn auf und schwang mich in den Sitz. Ich wollte nur einen langsamen Gang durch den Hof, weiter nichts. Kaum aber saß ich oben, so war ich schon zum Tor hinaus, und ehe ich mich vorgebeugt und den herabhängenden Zügel aufgenommen hatte, war schon beinahe das Duar erreicht. Dabei fühlte ich weder Schmerzen noch sonst etwas, was mich hätte veranlassen können, abzusteigen. Es war mir sogar möglich, es zu einer Art von Schenkeldruck zu bringen. Ich saß ganz leidlich fest und wankte nicht. Kara hatte mich rasch eingeholt. Er freute sich wie ein König über den Streich, den mir das Pferd gespielt hatte.
„Der macht kurzen Prozeß mit dir, Sihdi!“ lachte er. „Wie weit wirst du es wohl wagen können?“
„Wollen sehen“, antwortete ich. „Aber nur Schritt. Ich fühle mich ganz wohl; ja, es ist sogar, als ob im Sattel noch alte Kraft von mir aufgespart sei, die mir nun zugute komme. Sonderbar!“
Wir ritten langsam durch das Dorf. Die Leute kamen aus den Zelten, Hütten und Häusern, grüßten froh und waren baß verwundert, ihren Patienten so plötzlich schon zu Pferd zu sehen. Dann ging es am Seeufer hin nach Osten zu. Ein Viertelstündchen hielt ich es aus. Dann wurde ich müde und sagte Kara, daß ich absteigen und ruhen müsse.
„Dann gleich hier“, antwortete er, nach dem Ufer deutend. „Das ist die Stelle, welche der Peder dir zeigen sollte.“
„Woher weißt du das?“
„Er hat es mir gesagt, als ich gestern hier an ihm vorüberritt.“
Das war mir interessant. Also der Ort, wo die Sillan ihre Pferde zu tränken pflegen! Wir ließen die unseren an das Wasser gehen, und ich legte mich lang in das Gras. Da begann Kara Ben Halef:
„Sihdi, bist du sehr müde? Oder darf ich von einer Sache zu dir reden, die mir sehr wichtig erscheint? So wichtig, daß ich es nur dir, keinem andern mitteilen kann?“
„Sprich!“
„Tifl lügt!“
Er sagte nur diese beiden Worte; dann war er still.
„So!“
Ich sagte nur dieses eine Wort; dann war auch ich still. Nach einer Pause fuhr er fort:
„Ja, er lügt! Und du weißt, daß ich die Lüge hasse und den Lügner verachte! Und doch muß ich mit diesem Menschen sprechen, denn ich bin Gast!“
„Vielleicht irrst du dich“, warf ich ein. „Es ist ein großer Unterschied zwischen der absichtlichen Lüge, welche aus schlechten Gründen täuschen will, und einer Unwahrheit, die man mit gutem Gewissen verbreitet, weil man sie für Wahrheit hält.“
„Das weiß ich gar wohl, Sihdi; aber ich habe geprüft. Tifl weiß ganz genau, daß er lügt. Auch ist es nicht bloß leichtsinnige Schwatzhaftigkeit von ihm, die sich auf gleichgültige Dinge bezieht, sondern es handelt sich um Angelegenheiten, welche von größter Wichtigkeit für uns sind. Ich meine nämlich Ahriman Mirza.“
„Hat er diesen belogen?“
„Nein, sondern dich – – – uns!“
„Wieso?“
„Du fragtest ihn vorgestern vor dem Mordüberfall, woher der Henker wohl wisse, wo deine Lagerstätte in der Halle sei. Er antwortete dir, er sei den Persern vorangeritten und habe gar nicht mit ihnen gesprochen. Aber Ahriman Mirza habe sich an die begleitenden Dschamikun gemacht und alles, was er wissen wollte, aus ihnen herausgelockt. Tifl behauptete sogar, daß er über diese unvorsichtige Schwatzerei sehr zornig gewesen sei. Besinnst du dich, Effendi?“
„Ja. Ich erinnere mich noch jedes Wortes. Bezieht sich deine Behauptung etwa auf diese seine Angabe?“
„Ja. Er hat gelogen, dir mit vollem Bewußtsein in das Gesicht gelogen! Ahriman Mirza hat während des ganzen Rittes
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