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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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betrunken gewesen ist, um Ustad, der sich ihrer angenommen hat, von seinem Tod und von seinem Grab hier im Haus. Sie weinte dabei vor Rührung. Es kommen so schöne Stellen vor, auch Gedichte. Man wird da selbst gerührt und hält sie für ein frommes, liebes, seelensgutes Wesen. Aber sie hat das fast mit ganz denselben Worten und denselben Tränen auch meiner Mutter erzählt; sie erzählt es überhaupt jedem, der sich von ihr festhalten läßt, sogar den Haddedihn, die mit uns gekommen sind. Dadurch wird ja das Heiligste entheiligt! Und wenn sie bei jeder Gelegenheit hinzufügt, daß die Männer alle noch erzogen werden müssen, so wird sie lächerlich. Vor allen Dingen aber hat mich folgendes empört: Kaum haben Pekala und Tifl von den hohen Eigenschaften ihres Ustad gesprochen, so dichten sie ihm eine Menge ganz gewöhnlicher, sogar gemeiner Fehler an, die er gar nicht besitzt, sondern die sie nur von sich selbst auf ihn übertragen, weil sie alles, was sie an ihm nicht verstehen können, für Mängel halten wie die ihrigen. Und das tun sie in so niederträchtig vertraulicher Weise, als ob er sie für Engel halte, an denen er sich gern ein Vorbild nehme! Das ist teuflisch, doppelt teuflisch, weil es mit so freundlich lächelndem Mund und mit so warmer Rücksicht ausgesprochen wird. Ich habe es gehört; jeder hat es gehört; alle können es hören, die es hören wollen. Er allein, der vollständig Arglose, der stets und ganz Vertrauende, hat keine Ahnung von der Menge dieser giftigen Gedankenschlangen, die sich unablässig zu seinen Füßen ringeln, ohne daß er es bemerkt, weil er nie auf das Niedrige, auf das Gemeine achtet! Sihdi, was mag ihm das wohl schon geschadet haben! Wie gütig bist auch du zu dieser Pekala und diesem Tifl! Ich aber halte sie für ein Gezücht, mit dem man keine Nachsicht üben sollte. Wer ist dieser Aschyk? Ein Dschamiki wohl kaum. Sie verkehren mit ihm, und zwar heimlich, wie es scheint. Sie schildern auch ihm den Ustad gänzlich falsch. Er trägt es fort. Infolgedessen macht man sich da draußen im ganzen Land über des Ustad sogenannte Fehler und Schwächen lustig, die aber nur in den schwachen Köpfen einer dicken Köchin und eines dünnen Pferdejungen existieren! Die Feinde sind wohl klug genug, das zu wissen. Sie lachen heimlich über die Türkin und ihr ‚Kind‘. Öffentlich aber tun sie, als ob sie es glauben, und verbreiten es aus allen Kräften weiter. Daher der freche Blick, den Ahriman Mirza für den Ustad hatte! Und daher auch die unverschämte Stirn des Multasim! Hätten diese Menschen sich wohl in der Weise, wie sie es taten, in den Duar und hinüber zum Tempel gewagt, wenn der Ruf des Ustad nicht schon fast vernichtet wäre? Sihdi, ich sage dir: Zwei solche Personen im eigenen Hause sind gefährlicher, weit gefährlicher als hundert offene Gegner, die keine Liebe heucheln! Ich habe noch nie, noch nie in dieser Weise zu dir gesprochen. Jetzt aber mußte ich es tun. Und warum? Verzeihe mir, daß ich es sage! Um einer Person willen, die euch mit ihrer Kerbelsuppe nur scheinbar erheitert, in Wirklichkeit aber regiert!“
    Hierauf setzte er sich nieder. Wartete er, was ich nun sagen werde? Wenn ja, so ließ er es sich doch nicht anmerken. Er schaute über den See hinüber, wo soeben das Boot vom Ufer stieß. Es saßen zwei Männer darin. Der eine ruderte; der andere schien zu lesen.
    „Das ist der Dschamiki, welcher den andern das Singen lehrt“, sagte Kara, als ob er unser Gespräch als abgebrochen betrachte.
    „Und du bist der Haddedihn, der mich etwas anderes lehrt“, antwortete ich. „Ich habe geglaubt, mich nur auf meine eigenen Augen verlassen zu können. Darf ich von jetzt an auch die deinen mit zu Rate ziehen?“
    Da sprang er schnell wieder auf, kam zu mir her, kniete neben mir nieder, griff nach meiner Hand und rief im Ton des Glücks, der innigsten Freude aus:
    „Sihdi, ich danke dir! Weißt du, was du mir mit diesen deinen Worten schenkst?“
    „Ich weiß es, Kara: dich selbst! Du warst bisher ein Glied; nun aber bist du eine Person, eine vollständige Person. Es wurde über dich bestimmt; nun sollst du selbst bestimmen. Sag, gibt es noch andere Leute hier, welche dir Mißtrauen eingeflößt haben?“
    „Ja.“
    „Wer?“
    „Willst du Vermutungen hören?“
    „Nein.“
    „So laß mich erst noch prüfen, ehe ich Namen nenne. Ich kann wohl Verdacht hegen, aber ihn weiterverbreiten, ohne Beweise zu haben, das würde gewissenlos gehandelt sein. Das aber

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