23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)
ich viele Beispiele dafür angeführt, wie Regierungen erfolgreich potenzielle Gewinner fördern, und erklärt, warum die Theorie der freien Marktwirtschaft, die nicht einmal die Möglichkeit solcher Verfahrensweisen anerkennt, so löchrig ist.
Damit versuche ich nicht, jene Fälle zu übertünchen, in denen Regierungen kläglich versagt haben. Ich habe schon eine ganze Reihe von »Wüstenschlössern« erwähnt, die in den Sechzigern und Siebzigern in den Entwicklungsländern gebaut wurden, darunter die indonesische Luftfahrtindustrie. Das ist jedoch beileibe nicht alles. Versuche von Regierungen, potenzielle Gewinner aufzubauen, sind selbst in den Ländern fehlgeschlagen, die bekanntermaßen gut darin sind, etwa Japan, Frankreich oder Korea. Das unglückliche Concorde-Projekt der französischen Regierung wurde bereits erwähnt. In den Sechzigerjahren versuchte die japanische Regierung, eine Übernahme von Honda durch Nissan zu arrangieren, weil man Honda für zu klein und schwach hielt, doch erwies sich Honda später als die weitaus erfolgreichere Firma. Die koreanische Regierung versuchte Ende der Siebzigerjahre, die Aluminiumproduktion zu fördern, nur um mit ansehen zu müssen, wie ein massiver Anstieg der Energiepreise diesen Industriezweig an den Rande des Ruins trieb, weil die Energiekosten einen besonders hohen Anteil an den Produktionskosten für Aluminium ausmachen. Und das sind nur die bekanntesten Beispiele.
Ebenso, wie uns Erfolgsgeschichten nicht gestatten, die wirtschaftliche Betätigung von Regierungen unter allen Umständen gutzuheißen, entwerten auch die durchaus zahlreichen Fehlschläge nicht grundsätzlich jeden Versuch einer Regierung, auf potenzielle Gewinner zu setzen.
Wenn man es sich einmal genau überlegt, ist es ganz normal, dass Regierungen bei der Wahl möglicher Gewinner häufig glücklos sind. Es entspricht dem Wesen riskanter unternehmerischer Entscheidungen in dieser unsicheren Welt, dass sie damit auch einen Fehlschlag landen können. Schließlich versuchen auch die Firmen des privaten Sektors andauernd, auf Gewinner zu setzen, indem sie unsichere Technologien einkaufen oder dort aktiv werden, wo andere keine Hoffnung mehr sehen. Auch sie scheitern häufig. Tatsächlich gelingt es nicht einmal den Regierungen, die in dem Ruf stehen, eine besonders gute wirtschaftliche Spürnase zu haben, ständig neue Gewinner auszumachen, ebenso wie selbst die erfolgreichsten Unternehmen nicht ausschließlich richtige Entscheidungen treffen – man denke nur an das katastrophale Microsoft-Betriebssystem Windows Vista (mit dem ich leider dieses Buch schreibe) und die peinliche Panne mit dem Nokia-N-Gage, einem Mobiltelefon mit eingebauter Spielkonsole.
Die Frage ist nicht, ob Regierungen in der Lage sind, Gewinner zu erkennen, was sie ganz offensichtlich können, sondern wie sie ihre »Torstatistik« verbessern können. Entgegen allgemeiner Auffassung lässt sich die Torstatistik einer Regierung ziemlich dramatisch verbessern, wenn nur der politische Wille dazu vorhanden ist. Die Länder, die bei der Wahl ihrer Gewinner öfter erfolgreich sind, beweisen dies sehr anschaulich. Das taiwanesische Wunder wurde von der nationalistischen Regierungspartei Kuomintang angebahnt. Diese hatte einst als Synonym für Korruption und Inkompetenz gegolten, bis sie 1949 zum Umzug nach Taiwan gezwungen war, nachdem sie das chinesische Festland vollends an die Kommunisten verloren hatte. Die koreanische Regierung der Fünfzigerjahre war berüchtigt für ihre Unfähigkeit in Wirtschaftsdingen und wurde von der USAID (United States Agency for International Development), einer Behörde der Vereinigten Staaten zur Entwicklungszusammenarbeit, als ein »Fass ohne Boden« beschrieben. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts sagte man der französischen Regierung nach, weder willens noch in der Lage zu sein, einen künftigen Gewinner zu erkennen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hingegen wurde Frankreich zum Musterland auf diesem Gebiet.
Die Wahrheit ist, dass sowohl der private Sektor als auch die Regierungen die ganze Zeit über nach Gewinnern von morgen Ausschau halten. Die größten Erfolge entstehen jedoch dann, wenn beide Seiten zusammenarbeiten. Ob staatlich, privatwirtschaftlich oder in Zusammenarbeit – das Ganze bleibt zu einem gewissen Teil ein Glücksspiel, in dem es Erfolge und Misserfolge gibt, manchmal von spektakulären Ausmaßen. Wenn wir uns weiterhin von der Ideologie der freien Marktwirtschaft blenden
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