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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ha-Joon Chang
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Aussicht (obgleich solche Versprechungen in dem Sinne gleichzeitig auch Androhungen waren, dass sie verweigert würden, wenn die Leistungen nicht dem gewünschten Ziel entsprächen). Sollten all diese Verlockungen jedoch nicht groß genug sein, um die Geschäftsleute zu überzeugen, so griff man auf eine andere Rhetorik zurück – etwa, die Kredite der damals noch vollständig in staatlicher Hand befindlichen Banken einzufrieren. Notfalls wurde auch eine »private Unterhaltung« mit der Geheimpolizei angedroht.
    Erstaunlicherweise erwiesen sich viele der derart »staatlich geförderten« Unternehmen als großer Erfolg. In den Sechzigerjahren etwa wurde dem heutigen Elektronikgiganten LG von der Regierung untersagt, in die Textilindustrie einzusteigen – gegen den ausdrücklichen Wunsch des Unternehmens. Stattdessen zwang man LG, die Herstellung von Elektrokabeln aufzunehmen. Ironischerweise wurde die Kabelherstellung zum Grundstein des heutigen Elektronikgeschäfts, das LG weltbekannt gemacht hat (Handynutzern beispielsweise ist das Modell »Chocolate« ein Begriff). In den Siebzigern setzte die koreanische Regierung Chung Ju-Yung, den legendären Gründer der Hyundai-Gruppe, extrem unter Druck, ein Schiffbauunternehmen zu gründen. Chung soll dem Gedanken anfänglich zwar ablehnend gegenübergestanden sein, sich jedoch eines Besseren besonnen haben, als der damalige Diktator und Architekt des koreanischen Wirtschaftswunders, Park Chung-Hee, höchstpersönlich seiner Unternehmensgruppe den Bankrott androhte.
    Heute gehört die Hyundai-Schiffbaugesellschaft zu den größten der Welt.

Setzt die Regierung auf Verlierer?

    Gemäß der herrschenden Theorie der freien Marktwirtschaft dürfte es Erfolgsgeschichten wie die der Pohang-Eisen- und Stahlgesellschaft, von LG oder Hyundai eigentlich gar nicht geben. Die Theorie besagt, dass der Kapitalismus dann am besten funktioniert, wenn die Menschen in Ruhe ihren Geschäften nachgehen dürfen, ohne dass eine Regierung dazwischenfunkt.
    Es heißt, Regierungsentscheidungen seien zwangsläufig schlechter als die Entscheidungen derer, die direkt mit der fraglichen Materie zu tun haben; dies liege daran, dass die Regierung nicht über das gleiche Wissen auf einem bestimmten Geschäftsfeld verfüge wie eine Firma, die direkt in diesem Bereich tätig ist. Wenn eine Firma also beschließt, im Geschäftsfeld A anstatt im Geschäftsfeld B aktiv zu werden, dann müsste der Grund dafür die sichere Kenntnis sein, dass angesichts der gegebenen Marktbedingungen und Kapazitäten A profitabler ist als B. Von einem Regierungsvertreter, ganz gleich wie klug oder gebildet, wäre es daher völlig vermessen, dem Management der Firma zu einem Engagement im Bereich B zu raten, weil er oder sie weder über die Erfahrung noch den Geschäftssinn eines Managers verfügt. Mit anderen Worten: Die Regierung kann keine Gewinner erkennen.
    Tatsächlich ist die Situation noch extremer, sagen die Vertreter der freien Marktwirtschaft. Die Regierungen sind nicht nur unfähig, Gewinner zu erkennen, sie neigen sogar dazu, auf Verlierer zu setzen. Hinzu kommt, dass die Entscheidungsträger innerhalb einer Regierung – Politiker und Bürokraten – von dem Wunsch getrieben sind, Macht anzuhäufen und nicht Profite. Deshalb fallen sie immer wieder auf öffentlichkeitswirksame Wüstenschloss-Projekte mit hohem politischem Symbolcharakter herein, ohne deren wirtschaftliche Realisierbarkeit zu hinterfragen.
    Da die Regierungsvertreter mit dem »Geld anderer Leute spielen« (mehr zu diesem Thema siehe Nr. 2), müssen sie sich um die Wirtschaftlichkeit des von ihnen geförderten Projekts obendrein auch gar nicht sorgen. Durch falsche Zielsetzungen (Prestige vor Profit) und eine falsche Motivation (weil sie die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nicht selbst tragen müssen) ist es somit mehr als wahrscheinlich, dass diese Regierungsvertreter auf Verlierer setzen, wenn sie sich in geschäftliche Angelegenheiten einmischen. Von Geschäften sollte eine Regierung besser die Finger lassen, heißt es.
    Das bekannteste Beispiel dafür, wie eine Regierung durch falsche Zielsetzung und falsche Motivation auf das falsche Pferd setzen kann, ist das Concorde-Projekt, das in den Sechzigerjahren von der britischen und der französischen Regierung gemeinsam finanziert wurde. Die Concorde bleibt sicherlich eine der beeindruckendsten technischen Leistungen der Menschheitsgeschichte. Ich kann mich noch gut an einen Werbeslogan erinnern,

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