23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)
Arbeitnehmer verdienen 91 Prozent des amerikanischen Durchschnittslohns, ihre Manager jedoch nur 25 Prozent dessen, was die Amerikaner erhalten (ohne Aktienanteile). Schweizer und deutsche Arbeitnehmer bekommen höhere Löhne als ihre amerikanischen Kollegen (130 und 106 Prozent des US-Lohns), während Topmanager dort nur 55 beziehungsweise 64 Prozent der amerikanischen Managergehälter verdienen (wiederum ohne Aktienanteile, die in den USA einen wesentlich höheren Anteil ausmachen). 5
Alles in allem sind amerikanische Topmanager also überbezahlt. Der amerikanische Arbeitnehmer verdient nur etwa 15 Prozent mehr als Arbeitnehmer in Konkurrenzländern, amerikanische Manager hingegen kommen mindestens auf das Doppelte (verglichen mit den Schweizern, ohne Aktienanteile) und möglicherweise sogar auf das 20-Fache (verglichen mit den japanischen Managern, inklusive Aktienanteile) dessen, was ihre Kollegen in vergleichbaren Ländern verdienen. Trotzdem behaupten sich die von ihnen geleiteten Unternehmen nicht besser, sondern regelmäßig sogar schlechter am Markt als die Konkurrenz aus Japan oder Europa.
Kopf bedeutet, ich gewinne; Zahl bedeutet, du verlierst
In den Vereinigten Staaten (und in Großbritannien, wo es nach den USA den zweitgrößten Unterschied zwischen Managergehältern und Arbeitslöhnen gibt) hat der Beruf des Managers ausschließlich positive Seiten. Nicht nur, dass man schwindelerregende Gehälter zahlt, es drohen zudem auch keinerlei Sanktionen für schlechtes Management. Das Schlimmste, was einem US-Manager passieren kann, ist, dass er seinen momentanen Arbeitsplatz verliert. So gut wie immer ist eine Entlassung jedoch mit einer fetten Abfindung verbunden, die bisweilen sogar größer ausfällt als vertraglich vorgesehen. Die Wirtschaftswissenschaftler Bebchuk und Fried berichten hierzu Folgendes: »Als die Mattel-Managerin Jill Barad im Jahr 2000 notgedrungen kündigen musste, erließ ihr der Aufsichtsrat einen Kredit von 4,2 Millionen Dollar, gab ihr weitere 3,3 Millionen in cash, damit sie die Steuerschuld für den Erlass eines anderen Kredits begleichen konnte, und sicherte ihre noch ungesicherten Anteile sofort. Diese großzügigen Leistungen waren aber nur ein Zubrot zu den beträchtlichen Bezügen, die ihr aus ihrem Arbeitsvertrag zustanden, darunter eine Entschädigung von 26,4 Millionen und regelmäßige Ruhestandsbezüge von rund 700 000 Dollar pro Jahr.« 6
Sollte uns das kümmern? Eigentlich nicht, würden die Vertreter der freien Marktwirtschaft sagen. Wenn ein paar Unternehmen dumm genug sind, ihren gescheiterten Spitzenkräften noch großzügige Summen hinterherzuwerfen, dann lasst sie doch. Sie werden von einer knallharten Konkurrenz, die solchen Unsinn nicht mitmacht, vom Markt verdrängt werden. Mag sein, dass solche Kompensationszahlungen hier und da in eine Schieflage geraten sind, doch wird durch den Konkurrenzdruck irgendwann Schluss damit sein.
Das erscheint plausibel. Der Wettbewerb bringt es mit sich, dass ineffiziente Praktiken eliminiert werden, seien es nun bestimmte Produktionstechnologien oder einseitig begünstigende Gehaltsschemata für Manager. Die Tatsache, dass amerikanische und britische Unternehmen hinter ihrer Konkurrenz aus anderen Ländern zurückbleiben, weil diese in der Regel über ein besseres Management verfügen, ist der beste Beweis dafür.
Es wird jedoch lange dauern, bis dieser Druck mit den falschen Gehaltspraktiken in den Führungsetagen aufräumt (immerhin geht das jetzt schon seit einigen Jahrzehnten so). Bevor GM neulich Insolvenz anmeldete, wusste man schon mindestens seit dreißig Jahren, dass sich das Unternehmen auf Talfahrt befand. Aber niemand tat etwas dagegen, dass die Topmanager nach wie vor Gehälter einsackten, die eher der Philosophie ihrer Vorgänger Mitte des 20. Jahrhunderts entsprachen, als das Unternehmen noch Weltmarktführer war (siehe Nr. 18).
Trotz alledem wird herzlich wenig unternommen, um exzessive und einseitige (in dem Sinn, dass Versagen kaum bestraft wird) Gehaltsstrukturen zu überprüfen, weil die Klasse der Manager in diesen Ländern sehr mächtig geworden ist – nicht zuletzt durch die fetten Gehaltsschecks, die sie während der vergangenen Jahrzehnte erhalten haben. Längst sitzen sie in den Führungsgremien der Unternehmen. Daneben manipulieren sie Informationen, die sie unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern zuspielen. Durch dieses Zusammenwirken kontrollieren sie die Aufsichtsräte, von denen folglich
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