23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)
einzelne Bürger dort ist, sondern, wie gut ihre Bürger in kollektiven Einheiten mit hoher Produktivität organisiert sind – das können riesige Konzerne wie Boeing oder Volkswagen sein, aber auch die kleineren Firmen von Weltrang, die es in der Schweiz oder in Italien gibt (siehe Nr. 15). Die Entwicklung solcher Firmen muss von verschiedenen Institutionen unterstützt werden, die Investitions- und Risikobereitschaft fördern – zum Beispiel eine Wirtschaftspolitik, die Firmen in »aufkeimenden Industriezweigen« schützt und fördert (siehe Nr. 7 und 12), ein Finanzsystem, das »geduldiges Kapital« für langfristig wirksame Investitionen zur Produktivitätssteigerung bereitstellt (siehe Nr. 2), Institutionen, die sowohl den Kapitalisten (ein gutes Insolvenzrecht) als auch den Arbeitern (ein guter Wohlfahrtsstaat, siehe Nr. 21) eine zweite Chance gewähren, öffentliche Subventionen und Regulierungen in den Bereichen Ausbildung, Forschung und Technik (siehe Nr. 18 und 19) – und so weiter.
Bildung ist ein hohes Gut, aber ihr Wert besteht hauptsächlich nicht darin, dass sie die Produktivität steigert. Er liegt vielmehr darin, dass sie uns hilft, unsere Potenziale voll auszuschöpfen und ein erfüllteres und unabhängiges Leben zu führen. Wenn wir das Bildungssystem in dem Glauben ausbauen, dass unsere Volkswirtschaften dadurch reicher würden, werden wir bitter enttäuscht werden, denn die Beziehung zwischen Bildung und nationalem Wohlstand ist eher schwach und sehr kompliziert. Wir sollten unsere übertriebene Bildungsbegeisterung zügeln. Insbesondere in den Entwicklungsländern muss gesteigerter Wert auf die Gründung und Nachrüstung produktiver Unternehmen sowie entsprechender Institutionen zu ihrer Förderung gelegt werden.
Achtzehn: Was gut für General Motors ist, muss nicht unbedingt auch für die Vereinigten Staaten gut sein.
Was sie uns erzählen
Die Privatwirtschaft bildet das Herz des kapitalistischen Systems. Dort werden Dinge produziert, Arbeitsplätze geschaffen und neue Technologien erfunden. Ohne eine pulsierende Privatwirtschaft gibt es auch keine wirtschaftliche Dynamik. Was gut für das Geschäft ist, ist demnach auch gut für die Volkswirtschaft. Insbesondere vor dem Hintergrund des zunehmenden internationalen Wettbewerbs in der globalisierten Welt werden Länder, die Gründung und Betrieb von Unternehmen erschweren oder Firmen zu ungewollten Handlungen zwingen, Kapital und Arbeitsplätze verlieren und schließlich ganz ins Hintertreffen geraten. Die Regierung muss der Wirtschaft daher einen maximalen Grad an Freiheit gewähren.
Was sie uns verschweigen
Trotz der Bedeutung des privatwirtschaftlichen Sektors muss es nicht unbedingt gut sein, wenn man den Firmen ein Maximum an Handlungsfreiheit gewährt. Dies gilt zum einen für die Firmen selbst und in erhöhtem Maße für die Volkswirtschaft. Tatsächlich sind nicht alle Regulierungen schlecht fürs Geschäft. Manchmal ist es im langfristigen Interesse eines Wirtschaftssektors, die Freiheit einzelner Firmen zu beschneiden, damit diese nicht den gemeinsamen Ressourcenpool zerstören, den alle brauchen. Darunter fallen zum Beispiel Rohstoffe oder Arbeitskräfte. Daneben können Regulierungen auch dann von Vorteil für Betriebe sein, wenn diese zu Maßnahmen verpflichtet werden, die, kurzfristig betrachtet, individuell kostspielig sind, langfristig aber die Produktivität einer ganzen Branche steigern – etwa zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen. Was am Ende zählt, ist nicht die Quantität solcher Regulierungen, sondern ihre Qualität.
Wie Detroit den Krieg gewann
Man sagt, Detroit habe den Zweiten Weltkrieg gewonnen. Ja, die Sowjetunion opferte die meisten Menschen – der geschätzte Blutzoll des Großen Vaterländischen Krieges, wie er in Russland genannt wird, belief sich auf über 25 Millionen Tote, beinahe die Hälfte aller Opfer weltweit. Die UdSSR und natürlich auch Großbritannien hätten dem Angriff der Nazis jedoch kaum standhalten können, hätten sie keine Lieferungen aus der »Waffenkammer der Demokratie« erhalten, wie Franklin Roosevelt die Vereinigten Staaten bezeichnete. Die meisten dieser Waffen wurden in den umfunktionierten Fabriken der Detroiter Autobauer hergestellt – also bei General Motors (GM), Ford und Chrysler. Ohne die industrielle Macht der USA, für die Detroit stand, hätten die Nazis also ganz Europa und zumindest den westlichen Teil der Sowjetunion erobert.
Freilich verläuft die
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