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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ha-Joon Chang
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Geschichte niemals geradlinig. Der anfängliche Kriegserfolg von Nazideutschland wurde dadurch ermöglicht, dass die Wehrmacht extrem beweglich war – daher auch der Begriff Blitzkrieg . Die hohe Mobilität der deutschen Armee wiederum wurde erst durch ihren hohen Grad der Motorisierung möglich – und die Technologie dazu stammte ausgerechnet von GM (über die 1929 erworbene Konzerntochter Opel). Darüber hinaus kommen nun Beweise dafür ans Tageslicht, dass GM gegen das Gesetz seine Verbindung zu Opel den gesamten Krieg über heimlich aufrechterhielt. Opel baute aber nicht nur Militärautos, sondern auch Flugzeuge, Landminen und Torpedos. Es sieht also so aus, als hätte GM beide Seiten bewaffnet und davon profitiert.
    Selbst unter den Detroiter Autobauern – zusammen bekannt als die »Großen Drei« – nahm GM eine herausragende Position ein. Unter der Leitung von Alfred Sloan jr., der das Unternehmen 35 Jahre lang leitete (1923 bis 1958), hatte GM bis Ende der Zwanzigerjahre Ford als größten amerikanischen Autobauer überholt und war zum Inbegriff der amerikanischen Automobilmarke geworden. Man produzierte, in Sloans Worten, »Autos für jeden Zweck und jeden Geldbeutel«, aufsteigend nach einer »Erfolgsleiter« geordnet, die bei Chevrolet begann, über Pontiac, Oldsmobile und Buick nach oben reichte und schließlich beim Spitzenprodukt Cadillac endete.
    Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war GM nicht nur der größte Autobauer in den USA, sondern auch das größte Unternehmen des Landes (an seinem Ertrag gemessen). Wie erfolgreich GM tatsächlich war, illustriert folgende Anekdote: Im Jahr 1953 wurde der damalige Vorstandsvorsitzende Charlie Wilson zum Verteidigungsminister ernannt. In einer Kongressanhörung stellte man ihm die Frage, ob er zwischen seinem unternehmerischen Hintergrund und seinen öffentlichen Pflichten einen möglichen Konflikt sehe. Wilson entgegnete, was gut für die Vereinigten Staaten sei, sei auch gut für General Motors und umgekehrt.
    Der Logik hinter diesem berühmten Ausspruch scheint sich nur wenig entgegensetzen zu lassen. In einer kapitalistischen Volkswirtschaft spielen die Unternehmen des Privatsektors eine zentrale Rolle für den allgemeinen Wohlstand, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Wenn es ihnen gut geht, geht es auch der gesamten Volkswirtschaft gut. Insbesondere wenn das fragliche Unternehmen, wie GM in den Fünfzigerjahren, eines der größten und technologisch dynamischsten der Welt ist, hat sein Erfolg oder Misserfolg weitreichende Auswirkungen auf die übrige Volkswirtschaft – auf die Zuliefererbetriebe, deren Angestellte und so weiter. Die Beschäftigtenzahlen einer solchen Riesenfirma können bis in die Hunderttausende gehen, sodass auch die Hersteller von Konsumgütern indirekt mit am Tropf hängen. Deshalb ist das Wohl und Wehe dieser gigantischen Unternehmen für die Prosperität einer Volkswirtschaft von besonderer Bedeutung.
    Leider war dieser offensichtliche Zusammenhang während des vergangenen Jahrhunderts nicht allgemein anerkannt, sagen die Anhänger dieser Logik. Man kann ja verstehen, warum kommunistische Regime gegen die Privatwirtschaft waren – schließlich glaubten sie, dass das Privateigentum die Wurzel allen Übels im Kapitalismus sei. Zwischen der Weltwirtschaftskrise und den Siebzigerjahren jedoch wurde die Privatwirtschaft sogar in den meisten kapitalistischen Ländern kritisch beäugt.
    Unternehmen wurden als gesellschaftsfeindliche Kräfte betrachtet, deren Profitgier gebändigt werden musste – zum Wohle vermeintlich höherer Ziele wie Gerechtigkeit und sozialem Frieden, zum Schutz der Schwachen und sogar zur Wahrung des Nationalstolzes. In dem Glauben, dass die Regierung im gesamtgesellschaftlichen Interesse darüber bestimmen müsse, welches Unternehmen was tut, wurden komplizierte und umständliche Zulassungssysteme eingeführt. In einigen Ländern drängten Regierungen im Namen der volkswirtschaftlichen Entwicklung einzelne Firmen sogar gegen ihren Willen in bestimmte Geschäftsbereiche (siehe Nr. 7 und 12). Großen Firmen wurde verboten, in jenen Marktsegmenten aktiv zu werden, die von kleinen Bauernhöfen, Fabriken und Einzelhandelsgeschäften bevölkert sind, um den »kleinen Mann« und seinen traditionellen Lebensstil vor der Großindustrie zu schützen. Im Namen der Arbeitnehmerrechte ergingen unzählige neue Gesetze und Bestimmungen. In vielen Ländern wurden die Verbraucherrechte so weit ausgedehnt, dass es der Industrie

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