Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
23 Uhr, York Avenue

23 Uhr, York Avenue

Titel: 23 Uhr, York Avenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
versprech' dir's.
    Ingrid: Gut. Und jetzt leg' ich mich wieder schlafen.

30
    Das folgende Manuskript wurde am 3. September 1968 bei einer Durchsuchung der Wohnung John »Duke« Andersons entdeckt. Es bestand aus drei Blättern gelben Büropapiers, das durch waagrechte blaue Linien in Zeilen unterteilt war und 32 Millimeter neben dem linken Blattrand eine senkrechte Drillingslinie (rot-blau-rot) aufwies. Die Blätter selbst maßen 203 mal 314 Millimeter und zeigten an ihren oberen Rändern feine Einrisse, was darauf hinwies, daß sie von einem Block entfernt worden waren.
    Eine Untersuchung durch Fachleute ergab, daß diese Papierart von den Händlern meist in Blöcken verkauft und im Umgangston als »Juristenpapier« bezeichnet wird. Studenten, Anwälte, Schriftsteller und so weiter zählen zu den häufigsten Benützern. Die sichergestellten Blätter waren offensichtlich Teil oder Ausschnitt eines längeren Manuskriptes. Die Seiten waren nicht numeriert. Chemiker sind der Ansicht, sie seien annähernd zehn Jahre vor ihrer Auffindung geschrieben worden - also etwa 1958. Die Handschrift wurde zweifelsfrei als von John Anderson stammend bestimmt. Das verwendete Schreibgerät war ein Kugelschreiber mit grüner Paste.
    Mit diesen drei Blättern, deren Inhalt im folgenden wiedergegeben werden soll, waren die Fächer eines kleinen Schranks in jenen Räumen in der Harrar Street 314, Brooklyn, New York, ausgelegt, ehe sie entdeckt und den genannten Untersuchungen unterzogen wurden.
    [Erstes Blatt] es könnte alles sein.
    In anderen Worten, das Verbrechen ist nicht bloß eine Kleinigkeit, ein kleiner Teil der Gesellschaft, sondern es steckt mittendrin, und es macht den größten Teil von allem aus, was jedermann ein normales, rechtmäßiges und anständiges Leben nennt. Wir wollen sie aufzählen.
    Wenn eine Frau einen Mann nur an sich 'ranläßt, wenn er sie heiratet, kann man das Nötigung oder Erpressung nennen.
    Oder eine Frau, die einen Pelzmantel haben möchte, und wenn ihr Mann ihn ihr nicht schenken will, und sie sagt, sie geht nicht mehr mit ihm ins Bett, wenn er's nicht tut. Das ist auch eine Art Verbrechen, wie Erpressung. Vielleicht legt ein Chef eine Sekretärin aufs Kreuz, weil sie sonst ihren Job verliert. Nötigung. Ein Kerl sagt, ich weiß, daß du mit anderen 'rumgespielt hast. Wenn du mir nix gibst, sag' ich 's deinem Mann. Erpressung.
    Ein großes Lebensmittelgeschäft läßt sich in der Nachbarschaft von einem kleinen Lebensmittelgeschäft nieder. Und diese große Kette setzt die Preise 'runter und boxt den kleinen Laden aus der Branche. Das ist ein Raubüberfall. Ein Überfall mit Geld statt mit Fäusten, aber es bleibt ein Raubüberfall.
    Krieg. Man sagt zu einem kleinen Land, ihr tut jetzt, was wir wollen, oder wir sprengen euch in die Luft. Nötigung oder Erpressung.
    Oder ein großes Land wie die USA geht in ein kleines Land und kauft sich dort die Regierung, die wir wollen. Das ist kriminelle Bestechung.
    Oder wir sagen, wir geben euch dies und jenes, wenn ihr das und das tut, und das kleine Land tut's dann, und wir sagen vielen herzlichen Dank! Und zahlen nichts aus. Das ist Betrug oder Verabredung zum Betrug.
    Ein Geschäftsmann oder vielleicht sogar ein Professor an einer Uni glaubt, der andere Kerl wird den Job kriegen, den er selber haben will. Also schreibt er Briefe, die er nicht unterschreibt, und schickt sie an den Chef ganz oben. Verleumdung mit vergifteter Feder. Könnte wegen nichts geschnappt werden, der Mann, hat ja nur paar Andeutungen gemacht.
    Es gibt viele andere Beispiele, praktisch endlos viele, die
    [Zweites Blatt]
    ich hier dafür anführen könnte, wie viel von dem, was wir normales alltägliches menschliches Verhalten nennen, in Wirklichkeit Verbrechen ist. Manche davon sind persönlich, wie zwischen einem Mann und einer Frau, oder zwei Männern und zwei Frauen, und manche sind im Geschäftsleben und manche in der Regierung.
    Ein Mann will einem anderen Kerl in seiner Firma das Messer an die Brust setzen, und er verbreitet das Gerücht, er war' schwul. Üble Nachrede. Ein Kerl kauft seiner Frau ein Geschenk, weil er weiß, sie macht die Beine nicht breit, wenn er's nicht tut. Bestechung.
    In der Armee bringen wir den kleinen Jungs bei, auf welche Art man die Leute am besten umbringt. Mord. Im nächsten Lebensmittelladen oder Warenhaus frisieren sie die Rechnung hoch, wenn sie damit durchkommen, oder geben vielleicht zuwenig 'raus. Diebstahl. Ein Kerl möcht mit 'ner Frau in

Weitere Kostenlose Bücher