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23 Uhr, York Avenue

23 Uhr, York Avenue

Titel: 23 Uhr, York Avenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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ein billiges Gasthaus gehen, aber sie will in ein tolles Lokal. Und sie deutet an, wenn er nicht dort hingeht, wo sie will, dann gibt's heut' nacht nichts zu stoßen für ihn. Nötigung. Ein Kerl schenkt 'ner Biene eine Halskette und sagt, es wären Diamanten, aber in Wirklichkeit sind's Zirkone oder geschliffenes Glas, und sie macht die Gabel. Betrug.
    Ein Kerl in einer Firma bringt sich heimlich was auf die Seite, und ein anderer Kerl kommt ihm drauf und läßt den ersten Kerl das wissen. Also verschafft sich der erste Kerl was über den zweiten Kerl. Dann grinsen sie beide und lassen einanderleben. Verabredete Unterschlagung. Eine Frau läßt sich vielleicht gern schlagen. Also prügelt ihr Kerl sie ordentlich 'rum. Auch er hat's gern. Aber was weiß man schon? Es ist trotzdem Körperverletzung.
    Ein Süßer hält den anderen Süßen am Faden, indem er ihm sagt, er wird ihn verpfeifen, wenn er die schwulen Spielchen nicht weiterspielt. Nötigung. Und ganz ähnlich, jeder, der sagt, ich werd' mich umbringen, wenn du nicht tust, was ich will, das ist ebenfalls Nötigung
    [Drittes Blatt]
    oder vielleicht Erpressung, je nachdem wie die Rechtsanwälte und Richter darüber entscheiden. Ich will damit sagen, daß das Verbrechen nicht bloß aus Gesetzesübertretungen besteht, denn jedermann begeht es. Ich weiß nicht, ob das etwas Neues ist oder schon seit vielen Jahren so dahingeht. Doch wir sind alle Verbrecher.
    Wir sind alle Verbrecher. Es ist nur eine Frage des Grades, wie erster, zweiter und dritter Grad. Aber wenn die Gesetze gegen verbrecherische Handlungen richtig sind, dann müßte beinah jeder im Kittchen sitzen. Wenn diese Gesetze richtig und unbeugsam sind, dann dürfte es keine Rolle spielen, welcher Grad. Die verheiratete Frau, die ihre Beine nicht breit macht, wenn ihr Mann ihr keinen Pelzmantel kauft, ist genauso schuldig wie ein Kerl, der von irgendwem eine Million Dollar erpreßt. Und der arme kleine Pappi, der das Sparschwein von seinem Jungen aufbricht, ja, komisch ist das, und genug Kleingeld 'rausnimmt, um mit dem Bus zur Arbeit fahren zu können, na was unterscheidet ihn denn so sehr von einem guten Bankmann wie Sonny Brooks, er ist gestern gestorben, es war in allen Zeitungen. Jesus, wie hab' ich diesen Kerl gern gehabt, er hat mir alles beigebracht, was ich weiß, er war so großartig. Er wurde abgeknallt, als er aus einer Bank in Westvirginia 'rauskam. Ich kann's nicht fassen, er war so vorsichtig, ein wirklicher Profi. Arbeitete einmal im Jahr, aber er plante 6 Monate lang. Vorsichtig und gut. Hielt sich jedes Jahr 6 Monate lang aus allem 'raus. Schlag einmal im Jahr groß zu, sagte er immer, und dann halt dich 'raus. Ich hab' bei zwei Jobs mit ihm zusammengearbeitet und so viel gelernt.
    Ach Scheiße, alles ist Verbrechen. Alles. Die Art, wie wir leben. Jedermann. Wir alle sind Gauner, jeder von uns. Was ich also tu', ist nichts Besonderes. Ich bin nur schlau genug, dabei auch was 'rausschauen zu lassen. Wir lügen und wir betrügen und wir stehlen und wir töten, und wenn's nicht um Geld geht, dann geht's um andere Menschen oder ihre Liebe oder bloß darum, was zum Vögeln zu haben. Auf was wir eben stehen. Ach Jesus, es ist so dreckig.
    Als ich drin war, fand ich die Leute im Knast sauberer als die draußen. Wenigstens waren wir aufrichtig und machten kein Hehl aus unseren Verbrechen. Aber die anderen glauben von sich, sie sind so normal und sauber und anständig, und dabei sind sie doch die größten und dreckigsten Verbrecher von allen, weil sie
    [Ende des dritten Blattes]

31
    Die folgende Niederschrift beruht auf verschiedenen Tonbandaufnahmen einer Unterredung, die in den frühen Morgenstunden des 26. Juni 1968 im Elvira, einem italienischen Restaurant in der Hammacher Street 96352, Brooklyn, New York, stattfand.
    Zu dieser Zeit wurden die Räumlichkeiten des Lokals durch mindestens vier - möglicherweise waren es mehr - Ermittlungsbehörden der Exekutive elektronisch überwacht. Offenbar bestand zwischen diesen Behörden keine Zusammenarbeit. Elektronische Vorrichtungen, auf Miniaturformat verkleinert, gelangten in großer Vielfalt zur Anwendung. Die Telephone waren angezapft; unter gewissen Tischen, in der Bar und sowohl in der Herren- als auch in der Damentoilette waren Minispione angebracht; in aller Stille waren überdies auch die Dielenbretter der Küche mit Sonex-Mikrophonsendern der neuen Modellreihe Nailhead, Typ 158-JB, versehen worden. Das Elvira, ein beliebtes und

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