230 - Gilam'esh'gad
Dämmerlicht. Es erreichte auch einen Teil der konisch zulaufenden Decke, doch sie wuchs so hoch empor, dass sich ihr Ende den Blicken entzog.
Mitten im Saal stand die riesige weiße Schneckenmuschel. Ihre Öffnung hatte die Ausmaße einer breiten Zimmertür. Sie zeigte nach vorn, auf die Gefährten zu. Licht fiel heraus, und Clarice entfuhr ein Schreckenslaut, als sie erkannte, was da unten am Innenrand hervorlugte.
Menschliche Füße!
Yann!
Etwas bewegte sich in der Muschel. Ein Schatten glitt über ihre Wände, näherte sich der Öffnung… und plötzlich kam der Wächter heraus. Clarice wandte sich ab, um nicht zu schreien. Er bot einen entsetzlichen Anblick.
Auch Quart’ol sah weg, aber eher aus Höflichkeit. Er wollte den Hydriten nicht verletzen.
Warum fühle ich diese Verbundenheit mit ihm?, fragte er sich verwirrt. Er hat Yann entführt, Matt auf eine Reise ins Ungewisse geschickt, Gilam’esh in seine Gewalt gebracht. Und doch! Was hat er mir für Welten eröffnet bei meinem ersten Besuch! Ohne Gegenleistung! Und er hat uns vor den Sauriern gewarnt!
Gerade als Quart’ol in Gedanken hinzufügte: Nein, er kann kein böses Wesen sein!, hob der Wächter zu sprechen an.
»Ich habe euch erwartet«, sagte er kühl. »Aber wo ist die Menschenfrau… Aruula?«
»Sie… ist nicht mit uns gekommen.« Quart’ol erschrak, als er spürte, wie eine fremde Macht durch seinen Verstand huschte.
Der Blick des Wächters wurde finster. »Du wolltest sicher sagen: Sie kommt auf einem anderen Weg hierher!« Sein Arm ruckte nach hinten, wies auf die riesige Muschel. »Und du willst das Menschending wiederhaben.«
Quart’ol nickte. »Ich bitte dich, ihn freizulassen! Yann ist sehr krank. Er könnte sterben, wenn er nicht bald versorgt wird! Clarice hier ist Wissenschaftlerin, und sie…«
»Erspare mir die Einzelheiten!«, wehrte der Wächter ab. »Ich habe keine Verwendung für den Menschen namens Yann. Ihm geschieht nichts, und du kannst ihn wieder mitnehmen, wenn ich fertig bin. Doch bis dahin wirst du dich mit deinen Freunden einschließen lassen.« Er zeigte vage auf die rückwärtige Wand, lächelte dünn. »Um Störungen zu vermeiden.«
»Und was passiert mit Gilam’esh?«
»Nichts Unrechtes.« Fragend sah Quart’ol seine Gefährten an. Sie nickten zustimmend, und so wandte er sich wieder dem Wächter zu.
»Wir werden tun, was du verlangst«, sagte Quart’ol. Er wollte schon los schwimmen, in die angezeigte Richtung – doch es drängte ihn danach, seiner Freude über das gewaltlose Ende der verzwickten Situation Ausdruck zu verleihen und sicherzustellen, dass Yann auch wirklich gut behandelt wurde. Deshalb verbeugte sich Quart’ol und ergänzte: »Ich danke dir für deine Entscheidung, Pozai’don! Sie ist eines großen Herrschers würdig.«
Stille.
Quart’ol verharrte einen Moment in seiner gebeugten Position, dann hob er den Kopf. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie der Wächter heran schoss. Unmittelbar vor Quart’ol hielt er an, mit rudernden Flossenhänden. Seine Augen glühten.
»Du weißt, wer ich bin.« Es klang schneidend, und keineswegs nach einer Frage. Eher wie eine Erkenntnis.
»Äh – ja.« Quart’ol ahnte, dass er einen Fehler gemacht hatte. Die Ahnung wurde zur Gewissheit, als sich Pozai’dons schrecklich entstelltes Gesicht ihm näherte, bis es Quart’ol fast berührte.
»Das ist schlecht, mein Freund!«, raunte der Wächter. »Sehr schlecht. Lass deine Waffe fallen.«
»Oder was?« Quart’ols Doppelherz begann schneller zu pochen.
Pozai’don starrte ihn schweigend an. Hinter ihm, rings um die Weiße Muschel, kamen plötzlich wie auf einen mentalen Befehl hin Zitteraale aus dem Boden. Dünn und lang, von Lichtwürmern umzuckt. Ihre hässlichen Köpfe zielten auf den Muscheleingang, wo Yann noch immer reglos verharrte.
»Genügt dir das als Antwort?«, fragte Pozai’don.
Quart’ol nickte stumm, zog den Blitzstab, ließ ihn fallen.
»Und jetzt dort hinein!« Pozai’don zeigte an Quart’ols Arm vorbei.
Nicht weit vom Ausgang entfernt war eine zweite Tür. Neben ihr ragte ein großes Korallenstück aus der Wand. Wie ein Hebel.
»Was… was hast du mit uns vor?«, fragte Quart’ol unsicher.
Pozai’don drehte den Hydriten um, stieß ihn an. »Einsperren. Darauf hatten wir uns doch geeinigt.«
Ja, aber vorhin hast du in eine andere Richtung gezeigt! Quart’ol rang mit seiner aufsteigenden Panik. Hatte Aruula vielleicht doch recht gehabt, Pozai’don zu
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