2304 - Schatten über Atlan-Village
einfachen Schlauch mit Bajonettverschluss Nährflüssigkeit zutanken konnte. „Das Rauschen verschwand nach wenigen Augenblicken.
Wenn dieser Amplitudenausschlag etwas zu bedeuten hat, ist er lediglich auf wenige Kilometer Entfernung feststellbar."
„Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass deine Leute richtig liegen?"
„Sie wächst mit jedem Augenblick, Rudnor. Während wir uns unterhalten, werden willkürliche Messungen auf Terra, im freien Raum, auf Merkur, den Jupiter-Monden und sonst wo vorgenommen. Eine ganze Hundertschaft an Technikern gräbt in alten bis uralten Orterprotokollen und füttert die Positroniken damit. Wir fahnden mit aller Kraft nach diesem Rauschen. Sollten wir keine vergleichbaren Daten erhalten ..." Daellian seufzte tief und hoffnungsvoll. „... können wir hoffen, etwas gefunden zu haben."
Warum unterhielt er sich derart langatmig mit dem drastisch übergewichtigen Terraner? Er hielt doch sonst nicht so viel vom Dialogisieren. Viele der besten und wichtigsten Ideen kamen ihm, wenn er in seine ureigenen geistigen Tiefen zurückfiel, seine rudimentäre Körperlichkeit hinter sich ließ und frei assoziierte.
Empfand er etwa Langeweile? Benötigte er einen Ansprechpartner?
Lächerlich!
„Rein hypothetisch gehen wir davon aus", fuhr er fort, „dass sämtliche Raumschiffe der Terminalen Kolonne TRAITOR über Dunkelfelder verfügen. Diese Abschirmung ist augenscheinlich standardisierte Technik des Feindes. Auch die Mikro-Bestien arbeiteten während ihres Angriffs auf die Solare Residenz mit dieser Art Abschirmung."
Genug geredet, genug erklärt. Er hatte Wichtigeres zu tun.
Kurzerhand veränderte Malcolm mit einem Gedankenbefehl die Zusammensetzung der Nährflüssigkeit. Aus irgendeiner Datei rief er eine chemische Analyse der „Trokan"-Schokoladeriegel ab und mischte die Bestandteile bei. Sein Cholesterinspiegel würde leicht ansteigen – na und? Momentan hatte er einen übermäßigen Energiemangel auszugleichen, und vielleicht würden seine restlichen Geschmacksnerven in der zerfetzten Mundhöhle wenigstens einen Hauch der Schoko-Karamel-Mischung erahnen.
Ein Überranggespräch rüttelte an seinen Synapsen. Es stammte aus einem der Forschungslabors.
Daellian aktivierte den Bildkontakt.
„Wir haben eine Messung!", sagte ein Techniker in makellos blauer Uniform, dem die Eitelkeit ins Gesicht geschrieben stand. Irritiert kratzte sich der Schönling über den Dreitagebart.
„Soll ich etwa raten, warum du mich störst?", fuhr ihn Daellian an. „Um was geht’s?"
Der Geck ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Der Chefwissenschaftler der LFT hatte tunlichst darauf geachtet, Forscher um sich zu scharen, deren Nervenkostüm ausreichend belastbar war. „Ein doppelter Amplituden-Peak im nämlichen Bereich. Ein Vergleichswert zu den Daten des Crawlers."
„Wo und wann?"
„Ich versteh es einfach nicht. Wir waren uns hundertprozentig sicher, auf der richtigen Spur zu sein ..."
„WO UND WANN?", brüllte Daellian mit mechanisch verzerrter Stimme über Funk. 110 Dezibel reichten wohl als Warnung, dieses sinnloses Gelabere sein zu lassen.
„Entschuldigung, Chef!" Der Mann hielt sich entsetzt die Hände über die Ohren und antwortete hastig: „Im Bereich der Waringer-Akademie. Heute.
Jetzt. Wir haben die Messung EREIGNIS 01 genannt." Vorsichtig ließ der Beau die Hände herabfallen.
„Kein Irrtum möglich?"
„Nein. Wir haben das Rauschen mehrfach mit jenem der Aufnahmen des Data-Crawlers verglichen. Mit zwei verschiedenen Versuchssystemen, an zwei unterschiedlichen Standorten."
„Wie lange und wie oft wurde EREIGNIS 01 angemessen?"
„Einmal. Für null Komma acht Sekunden."
„Gibt es eine präzise räumliche Bestimmung?"
„Negativ. Irgendwo in oder um die Akademie. Genauer lässt sich der Herkunftsort nicht festlegen."
„Ist in Ordnung. Danke. Trotzdem weitermachen." Gedankenverloren unterbrach Daellian das Gespräch.
Rudnor hatte nichts von der still geführten Kommunikation mitbekommen, die Daellians Hoffnungen auf einen baldigen Erfolg an dieser Nebenfront ziemlich gedämpft hatte. Der Dicke lächelte soeben freudig erregt und zog einen weiteren Schoko-Riegel aus seinem Arbeitsmantel.
„Iss mich! Iss mich!", quäkte die dünne Verpackungsfolie. Rudnor packte die Schokolade aus, während Daellian fasziniert zusah.
„Vielen Dank, dass du mich isst, und das vor meinem Verbrauchsdatum 1.
März 1344", jubilierte die Folie. Rudnor zerbröselte den Quälgeist
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