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2308 - Die Schattenlosen

Titel: 2308 - Die Schattenlosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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versuchte sie, sich auf die andere Seite zu drehen und aufzurichten. Sie zwang sich, die Schmerzen zu ignorieren, obwohl sie am liebsten laut geschrien hätte. Vor ihren Augen tanzten Sterne. Schwindel ergriff sie und zwang sie an den Boden.
    Sie wartete ab, bis sich ihr Blick wieder klärte, dann unternahm sie einen neuen Versuch.
    Erst jetzt kam sie dazu, an sich hinabzusehen. Sie war nackt, die hellblaue Haut von verkrustetem Blut bedeckt. Die Bisswunde am Arm hatte sich entzündet. Wieder musste sie würgen, und nicht nur die Kälte ließ sie zittern.
    Ein banger Blick zurück über die Schulter – die drei schliefen noch. Sie schnarchten, einer drehte sich und öffnete die Augen. Ela glaubte, dass ihr das Herz stehen bleiben müsste. Aber dann schloss er sie wieder.
    Die junge Coralie dankte Ona und versuchte erneut, in die Höhe zu kommen. Sie biss die Zähne zusammen und zwang sich, das Pochen des Bluts in den Schläfen zu ignorieren. Sie schaffte es, sich auf die ebenfalls blutbeschmierten Knie zu drehen, doch dann fiel sie zur Seite und landete mit dem Gesicht im Moos. Sie schmeckte feuchte, modrige Erde im Mund und spuckte.
    Sie versuchte zu kriechen, so leise wie möglich, und die Schmerzen in den Gelenken und das Brennen im Arm zu ertragen. Es gelang. Sie setzte eine Hand vor die andere, zog die Beine nach und achtete darauf, nicht einen trockenen Zweig zu berühren oder im Laub ein Rascheln auszulösen. Ela weinte lautlos, so schlimm war es. Ihre Hände rutschten aus und suchten neuen Halt. Sie kroch langsam davon, Meter für Meter, Stück für Stück auf ein dichtes Unterholz zu. Immer wieder sah sie sich bange um. Sie glaubte, es nicht rechtzeitig zu schaffen – aber dann war sie drin. Sie schob oder zog sich in die ineinander verwucherten Rankengewächse hinein, mit nichts als den Händen als Waffen. Nach wenigen Metern blutete sie wieder aus den Schnitten, die sie sich an Dornen und scharfen Blättern zugezogen hatte.
    Ela bekam einen Hustenanfall. Sie versuchte, ihn zu unterdrücken, was ihr nicht ganz gelang. Beißende Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie lag flach auf dem Bauch und wurde von Krämpfen geschüttelt. Bange Augenblicke lang wartete sie, lauschte mit angehaltenem Atem.
    Nichts. Es blieb ruhig in einer Welt, die keine Laute mehr produzierte. Weiter!
    Die Fischerin schob sich durch das Unterholz und die Dornen, frierend, blutend, unter wahnsinnigen Schmerzen. Sie merkte bald nicht mehr, wenn ihr die Ranken ins Gesicht peitschten.
    Alle paar Meter verharrte sie, lauschte mit klopfendem Herzen und arbeitete sich weiter voran, wenn sie nichts hörte.
    Sie wusste, dass die Männer jeden Moment erwachen mussten. Sie war sich darüber im Klaren, dass sie eine deutliche Spur hinterließ. Wenn sie sie wieder in ihre Hände bekämen – daran wagte sie überhaupt nicht zu denken.
    Was war mit der Welt geschehen? Wie konnte so etwas passieren? Die Wob – allein deren Auftauchen war bereits furchtbar. Sie gehörten eigentlich überhaupt nicht in diese Welt. Sie waren keine Geschöpfe Onas. Aber dass Menschenkinder übereinander herfielen ...
    Ela kroch weiter, immer weiter. Sie wusste nicht, in welche Richtung sie sich bewegte. Sie hatte auch keine Ahnung, wie viel Zeit verging. Sie arbeitete sich unter Qualen voran und riss grüne Hindernisse entzwei oder brach sie durch. Sie fühlte den Wald nicht, und inzwischen war es ihr sogar egal, wenn sie ihm wehtat. Er verletzte sie ja auch mit seinen Dornen und Blättern.
    Das war nicht mehr der Wald, den sie kannte. Er war plötzlich feindlich und tot.
    Neue Tränen traten ihr in den Augen, als sie sich dessen bewusst wurde, was sie da dachte, was sie fühlte: Die Welt war ihr Feind geworden! Ona! Welchen Sinn hatte dann ihr Leben noch? Sie war nirgendwo mehr zu Hause.
    Ela schüttelte heftig den Kopf. So durfte sie nicht denken!
    Weiter – warten. Weiter – und warten.
    Der Himmel wurde immer noch heller. Über dem Wald schien es zu blitzen, doch es gab keinen Donner. Da war nur ein merkwürdiges, nie vorher gehörtes Singen in ihrem Kopf.
    Und irgendwann war das Dickicht zu Ende. Ela ließ sich erschöpft auf den Bauch fallen. Sie befand sich auf einer Lichtung, zwischen hohen Bäumen, in weichem, hohem Gras. Aber die Erde roch nicht mehr, wie sie riechen sollte.
    Es gab hier nur einen Geruch, und der war ...
    Die Fischerin schöpfte neue Hoffnung. Es roch nach Salz – Salzwasser!
    Sie musste nahe am Meer sein, und dort, an der Küste,

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