231 - Der Preis des Verrats
eigentlich nichts Genaues. Nur, dass der Weltrat die unterirdischen Zugänge zum Pentagonbunker dicht gemacht hat. Es herrscht so etwas wie Funkstille zwischen der Präsidentin und Black.«
***
21. Oktober 2524, Waashton
Es war kurz nach Mitternacht. Agat’ol kauerte im Schutze der Flussböschung und beobachtete das gigantische Tor in der westlichen Stadtmauer. Fackeln brannten auf der Bewehrung. Dann und wann glaubte er in ihrem Licht die Umrisse von Wächtern zu sehen. Wenn er nicht auffallen wollte, würde er bis zum Morgen warten müssen. Er hoffte, dass die Waashtoner, wie bei großen Siedlungen üblich, tagsüber das Tor öffneten und er nicht der Einzige wäre, der in die Stadt wollte. Wenn nicht, würde er es eben bei einem der anderen Tore versuchen.
In der dunklen Öljacke, die ihm bis über die Knie fiel, würde man ihn für einen Halbwüchsigen halten. Gesicht und Kopf blieben unter der hochgezogenen Kapuze verborgen. Auch von seinen verwachsenen Flossenfüßen würden die Bewohner nichts sehen: der Mar’osianers blickte grimmig auf die Stiefel des toten Jungen, die neben ihm im Gras lagen. Zwar war das Laufen darin eine Qual, aber für den Aufenthalt in der Stadt würde es schon gehen.
Trotzdem nagten Zweifel in Agat’ol: Was, wenn die Bewohner ihn sich genauer anschauen wollten, während er nach General Crow fragte? Was, wenn sie genauso reagierten wie die Männer auf dem Schiff? »Bei Mar’os! Verfluchte Lungenatmer! Und verfluchte trockene Luft!« Der Mar’osianer war den Aufenthalt auf der Erdoberfläche nicht mehr gewohnt. Früher, als er im Dienst der Wissenschaft die Menschen studiert hatte, war es ihm noch leichter gefallen. Er begann sich auszuziehen, um ein Bad im Potomac zu nehmen. Dabei schimpfte er leise weiter.
»Diese Oberflächenkriecher sind fast noch schlimmer als die Ei’don-Anhänger!« Dabei war er damals selbst einer gewesen. Wieder dachte er daran, wie er während seiner Gefangenschaft von den Menschen mit Fleisch gefüttert wurde. Die Folgen der verbotenen Ernährung waren für seinen Körper und seinen Geist verheerend gewesen. Inzwischen brauchte er die Fleischnahrung, um zu überleben. Gleichzeitig hatte seine Gier danach eine Rückkehr in sein altes Leben unmöglich gemacht: Die Hydriten würden ihre strengen Regeln und Gesetze, die auch den Verzehr von Fleisch und Fisch mit einschlossen, nicht für einen Einzelnen aufgeben. Schon gar nicht für einen wie Agat’ol! Mit seinem missgestalteten Körper hatte er schon immer ihre Vorstellung von Ästhetik gestört. Sie waren vermutlich froh gewesen, ihn endlich los zu sein!
Die Einzigen, die ihn nach seiner Flucht vor den Menschen aufnahmen, waren die Mar’os-Anhänger gewesen. So hatte sich Agat’ol ihrem Kult verschrieben. Rache den Ei’don-Anhängern!, war seine Devise. Rache für Martok’shim’re, der heiligen Stadt der Mar’osianer, die in grauer Vorzeit zusammen mit vierzig anderen Mar’os-Städten durch einen Molekularbeschleuniger der Hydriten verdampft war. Eine mörderische Waffe! Aber nichts im Vergleich zu dem hier ! Seine Flossenhand schloss sich um den Kristall im Beutel. Der Mar’osianer kletterte zum Ufer hinab und glitt ins Wasser.
Er pries den Augenblick, da er dem Hydriten und seinem menschlichen Kumpan in Gilam’esh’gad gefolgt war und sie belauscht hatte. So hatte er von dem Molekularbeschleuniger erfahren, den die Hydriten Friedenswaffe nannten – und von der noch weitaus schlimmeren Waffenanlage, die irgendwo in der Antarktis existieren sollte, dem Flächenräumer. Er hat die Furcht in dem Gesicht des blonden Lungenatmers gesehen bei der Vorstellung, was wohl passieren würde, wenn diese Waffe in die falschen Hände fiel. Dabei erwähnte er einen gewissen General Arthur Crow in Waashton.
Ich werde mir diese Waffe holen! Er fühlte den Datenkristall unter seinen Fingern und grinste. Er hatte ihn in Gilam’esh’gad aus der Schlafkammer des blonden Lungenatmers gestohlen, zusammen mit dem Lesegerät, einer glasähnlichen Halbkugel im Metallrahmen, die er unter seinem Schulterpanzer trug. Der Kristall enthielt Aufzeichnungen über den Grundriss der Anlage. Dieser Crow wird mir helfen, sie zu finden, wenn er hört, dass sein Erzfeind Maddrax hinter ihr her ist! Dieser Gedanke erfüllte Agat’ol mit Genugtuung. Er allein wäre nicht in der Lage gewesen, zum Südpol zu gehen, wo das Wasser zu Eis gefror und sein Körper binnen Stunden ausgetrocknet und erfroren wäre. Crow dagegen
Weitere Kostenlose Bücher