2325 - Der verbotene Krieg
Ortswechsel der Station entzog sie jeder Kontaktmöglichkeit mit der Heimat. Versteckte Funkbojen mussten aufgefischt und neu platziert, andere Relais ausgebracht werden, um eine sichere Verbindung zu schaffen. Außerdem benötigten sie für die Beschleunigung der Station etliche Dutzend Diskusraumer zumindest mittleren Kalibers. Dass die vielen alten Jülziish dem Stress und der Hektik gewachsen waren, glaubte Veyt nicht.
Er entschied sich spontan für die zweite Möglichkeit. „Ghüytty wird sofort evakuiert, die Insassen des Altenheims zuerst. Die Einheiten der Flotte bilden einen Ring um die Station und schleusen alle Beiboote aus, um die Jülziish aufzunehmen. Sofortiger Vollzug!"
Seine Truppe war gut organisiert.
Keiner stellte dumme Fragen, alle setzten die Anweisung so schnell um, wie es ging. Wenige Minuten später verließen die ersten Gleiter die Station und schwebten zu den Diskussen der Flotte hinüber. Im Gegenzug stürzten sich ganze Schwärme von kleinen Fahrzeugen auf die Station und drängten sich an den Schleusen und Hangartoren. „Wie viele Stunden?", rief der Marschall, als er die Zentrale erreichte. „Mindestens vier", lautete die Antwort.
Vielleicht reichte es. Vielleicht auch nicht. „An alle Kommandanten! Sämtliche Kapazitäten an Fahrzeugen und Personal sind sofort für die Evakuierung abzustellen!"
Mancher kampferprobte Jülziish mochte sich wundern, warum er die Veteranen nicht einfach ihrem Schicksal überließ. Fylynder Veyt befolgte auch in diesem Fall die ehernen Regeln der Flotte. Sie garantierten den Soldaten im Ruhestand das, was sie während ihrer Dienstzeit nie gehabt hatten, die Unversehrtheit ihres Lebens. Es war eine Frage der Ehre.
Veyt wandte sich an die Offiziere in der Zentrale. „Ihr bringt die Regierung in Sicherheit. Ich kümmere mich um die Steueranlagen."
So kannten sie ihn, und er wusste, dass sie ihn so liebten. Immer dort, wo es am nötigsten war. Als junger Offizier hatte er sich an jeder Front durch überragende Tapferkeit ausgezeichnet. Als Marschall und oberster Miltär des gatasischen Reiches sah er keinen Unterschied zu damals. Also handelte er danach.
*
„Sechzig Prozent sind evakuiert", meldete die Stimme aus dem Funkgerät.
Der Lärm in den Korridoren war so groß, dass er die Worte kaum verstand.
Dazu summten überall Schweber, rasten Rollstühle mit hoher Geschwindigkeit dahin. Die lautlos mit Zugstrahlen beförderten Lasten bildeten die größte Gefahr in Ghüytty. Man hörte sie nicht, und das Altersheim besaß keine automatischen Warnlagen. Es war für eine solche Situation nicht konstruiert.
Die Umsiedlung war ein Fehler!, gestand der Marschall sich ein. Die Regierung hätte auf Gatas bleiben sollen.
Aber um welchen Preis! Kein Gataser wollte dasitzen und zusehen, wie die Terminale Kolonne immer mehr die Macht übernahm, den Planeten und die gewachsenen Strukturen der Jülziish nach und nach infiltrierte und schließlich sogar den Herzrhythmus und die Atemfrequenz bestimmte. Darauf lief es schlussendlich aber hinaus.
Dann lieber in der Schlacht gegen die Okkupatoren sterben.
Es war zu spät für solchen Heldenmut. Den hundertfachen Ausschlägen der Ortung folgte das nervtötende Jaulen des Ultraschallalarms. „Traitanks!", gellte eine Stimme durch die Zentrale. „Überall!"
„Ghüytty an TRAITOR!", zischte Fylynder Veyt. „Lasst die alten Leute abfliegen. Sie haben euch nichts getan."
Mit fliegenden Fingern schaltete er sein Funkgerät auf die interne Anlage um. „An die Regierungsmitglieder. Jeder, der alt genug ist, geht jetzt hinüber ins Altersheim und lässt sich evakuieren. Die anderen begeben sich sofort in die VIITAGA."
Seine vier Augen lieferten ihm alle optischen Informationen auf einen Streich. Es gab nichts mehr zu tun. „Zentrale räumen! An alle Einsatzkräfte. Haltet die Kämpfer der Kolonne vom Zentrum fern!"
Er scheuchte die Männer und Frauen hinaus. Hoch oben über sich wusste er das Flaggschiff, sorgfältig eingebaut in die Quader der Station. Wenn es ihnen gelang, bis dorthin durchzukommen, sah Veyt gute Chancen für eine Flucht.
Ein Schlag erschütterte die Station und machte all seine taktischen Überlegungen zunichte. Dennoch gab er nicht auf. Als letzter seiner Soldaten hastete er aufwärts, klammerte sich an das Zugseil des offenen Lastenlifts, der sich mühsam nach oben quälte und mit einem Ächzen die obere Plattform erreichte. Ein paar Augenblicke, dann erfasste der Zugstrahl aus
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