233 - Enklave der Träumer
versammelten sich am Wasser und blickten die Qualle misstrauisch an. Anscheinend waren nicht alle der bionetischen Tekknik gegenüber so aufgeschlossen wie Nao.
»Hi!« Matt erkannte einen der Männer, der ihm am nächsten stand. »Eeron, richtig?«
»Eelton.« Der breitschultrige Peron kratzte sich am Kopf und musterte erst Matts Spinnenseidenanzug, dann – mit einem anerkennenden Blick – Aruula. »Du hast das Weib gefunden. Für die wäre ich auch bis nach Afra gegangen.«
Nao kicherte. »Lass das nicht die Hantaa hören…«
Andere versammelten sich um sie. Eelton erklärte kurz und knapp, wer Matt war. Man schien ihn nicht vergessen zu haben – wahrscheinlich machte die Story um den Kampf mit Marii und ihrem Sohn Kiras noch immer die Runde am Lagerfeuer.
Airin schloss zu ihnen auf, scheuchte die anderen Leute vorerst davon und führte Matt und Aruula höchstpersönlich durch die Station. Nao folgte ihnen wie ein Schatten. Auch Eelton kam mit ihnen.
»Er ist mein Hasbent«, erklärte Airin stolz. »Wir sind jetzt zusammen.«
Matt erkannte in dem Wort den Begriff husband: Ehemann. Er freute sich für Airin.
Die Kriegerin brachte ihn zuerst an das Grab von Piama – der Gründerin der Station, die nach »Christopher-Floyd« dafür gesorgt hatte, dass ihre »Kinder« das Wissen nicht gänzlich verloren. Der große unterirdische Raum war eine sonderbare Mischung aus Gruft und postapokalyptischer Bibliothek. Zahlreiche Lederrollen lagen in hohen Regalen aufbewahrt. Sie waren sorgsam sortiert und mit einzelnen Buchstaben am Holz beschriftet worden. Mehrere Kerzen aus Bienenwachs standen auf eisernen Haltern und gaben dem Raum einen süßlichen Geruch. Auf dem Boden lagen Felle.
»Und jetzt raus mit der Sprache.« Airin setzte sich neben dem Grab der menschlichen Göttin auf den Boden. Nao und Eelton taten es ihr nach. Auch Aruula und Matt setzten sich zögernd. »Wohin seid ihr eigentlich unterwegs? Wieder nach Afra? Oder nach Hermannsburg?« (Hermannsburg: Bunker im Norden Australiens)
»Das ist eine lange Geschichte, die ich lieber in Ruhe erzählen würde.« Matt sah sich unbehaglich um. Er pflegte einen anderen Umgang mit Leichen und Grabstätten als Airin und ihr Volk. Es behagte ihm nicht, an einem Grab zu plaudern. »Kurz gesagt sind wir auf einer Expedition zum Südpol und hoffen hier Vorräte und Material für die Weiterreise zu bekommen.«
»Sicher. Das sind wir dir schuldig. Aber was ist eine Expedition zum Südpol?«
»Eine Reise«, erklärte Aruula hilfsbereit. »Eine Reise in ein sehr kaltes Land.«
»Dann braucht ihr Shiip-Felle?«
»Warme Kleidung und Felle wären nicht schlecht.« Matt war erleichtert. Das ging noch einfacher, als er gedacht hatte. Wenn der Rat der Uneska jetzt noch die Leute der HOPE aufnahm, war er rundum zufrieden.
Airin berührte mit einer Hand die Grabplatte mit der eingemeißelten Inschrift. »Göttin – heute wird ein schönes Lichtfest sein und morgen schreibe ich darüber in dein Buch.« Sie stand auf. »Ich zeige dir, was wir hier haben, Maddrax, und du siehst, was du davon brauchen kannst.«
***
Airin hatte ihnen alles an Material mitgegeben, was Matt haben wollte, in einer großen Kiste, die sie bereits in der Transportqualle verstaut hatten. Jetzt ritten sie auf Pony-großen Dingoos von der Stejchon zu der Siedlung. Der Weg durch den Wald mit seinen urwüchsigen Akazien, Eukalyptusbäumen und dem dichten Buschwerk erschien Matt wesentlich breiter als bei seinem letzten Besuch. Auch die Station hatte sich verändert – überall bemerkte man, dass hier Menschen gemeinsam daran arbeiteten, etwas aus den vorhandenen Ressourcen zu machen.
Die Dingoos trabten auf ihren weißen Pfoten sicher über die Waldwege. Über sich hörte man das keckernde Lachen von Papageien und die hellen Töne von Finken. Immer wieder mussten sie Fleggen und andere Insekten vertreiben.
Beim Dorf angekommen, begrüßte sie die salzige Luft des Meeres. Das Rauschen der Wellen vermischte sich mit der Musik mehrerer Trommeln.
Aruula stieg von ihrem Dingoo ab und blickte zu den sonderbaren Gebäuden hinüber. »Was sind das für Häuser?« Die Bauwerke sahen in der Tat abenteuerlich aus.
»Sie wurden in die Hügel riesiger Termiten gebaut«, erklärte Matt seiner Gefährtin. »In der Zeit nach dem Kometen lebten die Perons in der Station, die wir eben sahen. Die Adors dagegen blieben draußen und lernten die Gegebenheiten zu nutzen. Nach der Eiszeit kamen auch die Perons wieder an
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