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233 - Enklave der Träumer

233 - Enklave der Träumer

Titel: 233 - Enklave der Träumer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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lange Monolith erschauerte leicht, als der Finder seine Gedanken nach den Anangu ausstreckte, die über die Traumzeit mit ihm verbunden waren.
    Für die Eingeborenen standen alle belebten und unbelebten Dinge in Verbindung mit der Mythologie ihrer Schöpfungszeit. Geologische Erscheinungen waren für sie seit jeher geheiligte Stätten mit eigener Persönlichkeit und Ausdruckskraft. Der Finder hatte ihr Verständnis der Schöpfung genutzt, um sich mit ihnen und dem Kontinent noch tiefer zu verweben.
    Er nahm wahr, wie sie gegen die Kälte kämpften – und unterlagen. Viele starben. Ein ganzer Stamm war vor einem halben Jahr zu ihm gezogen, um ihn um Gnade zu bitten. Die Leichen seiner Mitglieder lagen irgendwo unter der harschen Schneedecke um seinen Sockel begraben.
    Der ewige Winter nach der Katastrophe trieb einige der Überlebenden zu ihm und zu den Kata Tjuta, nach Red Toad, einer unterirdischen Stadt, die zu seinem Schutz gebaut worden war. Doch nur wenige überlebten. Auch Red Toad war kein gutes Schicksal beschieden, das wusste er. Die Menschen dort hatten sich zu sehr in ihre eigenen Wahnvorstellungen verrannt.
    Tief unten in einer kleineren Höhle saßen drei Anangu an einem Feuer und dienten ihm als mentale Brücke in die Gegenwart. Über sie konnte er auch erkennen, was in Red Toad geschah. Viele ihrer Vorgänger waren tot. Doch wann immer sie starben, wurden auf geistigem Wege neue Wächter gerufen.
    »Der Ritter ist auf dem Weg, Ahne«, meinte einer von ihnen in Trance.
    Geht!, befahl der Finder barsch. Er hatte das Signal vom 8. Februar 2012 nicht mehr finden können. Vielleicht war ein Wandler auf die Erde abgestürzt und in dem Inferno vergangen, das er über die Welt gebracht hatte. Vielleicht war das Signal aber auch nur eine Sinnestäuschung gewesen. Dennoch hatte er sich entschlossen, sichernde Maßnahmen zu treffen.
    Schwaches goldenes Licht breitete sich in der Höhle mit den roten Steinwänden aus. Es leuchtete zur Ankunft des Avatars.
    Der weiße Ritter kam mit langen Schritten in die Höhle und sank vor der Felsspalte, aus der das goldene Licht am intensivsten drang, auf die Knie.
    »Ich habe getan, worum du gebeten hast, Ahne.«
    Warst du erfolgreich?
    Der weiße Ritter sah auf und lächelte. »Ich wandelte auf den Pfaden der Zeit und fand mehr als ich zu hoffen wagte.« Der Ritter machte eine kurze Pause. »Der Ort, den ich entdeckte, ist durchwirkt von der Mystik des Seins. Seine Ausstrahlung innerhalb der Traumzeit ist außergewöhnlich. Er wird deinen Ansprüchen voll und ganz genügen.«
    Zeige ihn mir!
    Der Ritter schloss die Lider, und der Finder sah vor seinem inneren Auge, was sein Diener entdeckt hatte. Der Avatar hatte recht. Der Ort war außergewöhnlich. In der Traumzeit hatten auch tote Dinge eine Art Seele, eine Ausstrahlung, die sie umgab wie eine Aura. Dieser Ort war von überraschender Intensität.
    »Bist du zufrieden, Ahne?« Der Ritter hielt den Blick nun wieder demütig gesenkt.
    Ja. Der Finder konzentrierte sich. Seine mentalontologische Substanz bündelte gewaltige Kräfte. Die Wand neben der Felsspalte glühte orangerot auf. Das Strahlen wurde immer heller und der Ritter schloss in dem grellen Licht geblendet die Augen.
    Wie flüssige Lava schien die gesamte Wand in Flammen zu stehen. Der Finder fühlte, wie die Luft vor Hitze vibrierte. Langsam schob sich ein Teil der glühenden Masse nach vorne. Eine Ausbuchtung von gut drei Metern Höhe und einem halben Meter Breite bildete sich. Noch war sie mit der feurigen Wand verbunden. Sie schob sich immer weiter vor, kam auf den weißen Ritter zu, der regungslos auf dem Boden verharrte.
    Langsam verblasste das grelle Licht und wurde wieder zu einem sanften Schimmer aus Gold. Nur das Feuer flackerte unruhig, als habe die Hitze des Vorgangs es zusätzlich entfacht.
    Vor dem Avatar ragte eine hohe vierkantige Stele auf, die sich nach oben hin verjüngte und eine scharfe Spitze bildete. Der Stein glühte noch immer in tiefem Rot, wie ein Stück Eisen, das eben erst der Glut entrissen worden war.
    Bring dieses Stück meiner selbst an den Ort, den du ausgewählt hast. Die Anangu werden dir helfen.
    »Wie du es wünschst, Ahne, soll es geschehen.« Der weiße Ritter erhob sich. »Es ist mir eine Ehre, dir zu dienen. Für jetzt und immerdar.«
    ***
    Australien, Westküste, 24. Dezember 2524
    Matt steuerte die Transportqualle in die Bucht, in die ihn Airin einwies. Akazien und Büsche wuchsen auf rotbrauner Erde und feinem weißen

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