2331 - Die Eisstadt von Vaccao
sie „nebenbei" für das Wohlergehen des Mutanten verantwortlich.
Tess hatte sich in all den Jahren auf ihrem Fachgebiet behauptet, genau wie Benjameen. Der Arkonide hatte sich nicht darauf beschränkt, seine paranormale Gabe des Zerotraums weiter zu perfektionieren, sondern eine ähnliche wissenschaftliche Laufbahn wie Tess eingeschlagen.
Leichte Verbitterung durchdrang Tekener, als er an das glückliche Paar dachte. Tess hatte sich mit beträchtlichem Erfolg als Wissenschaftlerin etabliert und war dadurch aus dem Schatten des Mutanten getreten. Sie hatte bewiesen, dass sie eine eigenständige Persönlichkeit war. Doch jeder konnte sehen, dass sie Benjameen aufrichtig liebte. Sie machte aus ihrer Zuneigung kein Hehl.
Manchmal glaubte Tekener, dass alles falsch war, was er über Frauen zu wissen geglaubt hatte. Solche Probleme - falls es für Benjameen und Tess überhaupt ein Problem war - hatte es für ihn und Dao-Lin-H'ay nie gegeben. Sie beide waren Unsterbliche; und beide hatten niemals aus dem Schatten des anderen treten müssen.
Sie hatten sich und anderen nichts beweisen müssen.
Sie hatten sich einfach nur geliebt.
Bis dann Ron-Sha-R'itt in ihr Leben getreten war. Eigentlich eher in Daos ...
Tekener verdrängte den Gedanken. Da ihn niemand sehen konnte, lächelte er nicht, sondern verzog das pockennarbige Gesicht zu einem schiefen, hässlichen Grinsen.
Daran wollte er nun ganz bestimmt nicht denken. „Habe ich dich richtig verstanden, Ronald?", drang Tess Stimme aus dem Lautsprecher. Er riss sich zusammen. Die Trennung von Dao machte ihm schwerer zu schaffen, als er es sich eingestehen wollte, auch noch nach fast zwölf Jahren. „Landeverbot?"
„Nur ein paar Minuten", sagte er, seinem Instinkt folgend. „Ich werde mit meinem Kommando vor eurer Landung das Wrack notdürftig durchkämmen und die Lage klären, bevor ihr euch in Gefahr begebt."
„Sehr rücksichtvoll von dir."
Nun lächelte er schwach. „Warum sollt ihr euch auch noch in Gefahr bringen? Auf die paar Minuten kommt es jetzt nicht an."
*
„Massetaster, Individualtaster ... nichts!", meldete der Einsatzleiter. „Keine energetischen Aktivitäten außerhalb der Norm. Da lebt niemand mehr!"
„Wir werden das Wrack Raum für Raum durchkämmen", sagte Tekener. „Rechnet weiterhin mit einem Hinterhalt und mechanischen und sonstigen Fallen.
Ständige Energieortung, aber achtet auch auf Stolperdrähte!"
„Verstanden."
„Also los." Ronald wollte sich gerade in Bewegung setzen, als sich sein Mehrzweck-Armband meldete. Er nahm das Gespräch entgegen und erkannte die Stimme Viena Zakatas, des Leiters der Abteilung Funk und Ortung der SOL. „Der Prototyp der Ultra-Giraffe hat auf der mutmaßlichen Funkfrequenz der Fremden einen starken Impuls angemessen, vermutlich ein SOS-Signal, das einige hundert Lichtjahre überbrückt haben dürfte."
„Wann?"
„Die Auswertung hat einige Minuten gedauert, deshalb kann ich dich erst jetzt informieren. Das UHF-P-2/b ist alles andere als ein Standardwerkzeug, und Blo Rakane ist ja bei euch."
Also hatte sich die Nachricht von Rakanes Verletzungen noch nicht auf der SOL herumgesprochen, zumindest nicht bis zum Funkchef. Andererseits genügte es völlig, wenn die medizinische Abteilung informiert war und man die anderen ihre Arbeit machen ließ. Und dass niemand so gut mit der Ultra-Giraffe umgehen konnte wie ihr Entwickler, gestand Zakata bereitwillig ein. „Liegt die genaue Datierung des Impulses vor?", fragte Tekener. „Natürlich, haben wir gespeichert." Zakata nannte einen Zeitpunkt kurz vor dem Beginn der Schlacht um das Wrack. „Danke", sagte Tekener und unterbrach die Verbindung.
Der Unsterbliche ließ den Blick über das Wrack gleiten. Kurz vor dem Zusammenstoß mit den Solanern hatten die Fremden also um Hilfe gerufen. Einige Fragen blieben offen, ließen sich zurzeit nicht klären. Warum erst dann, und wieso hatten sie nur ein einziges SOS-Signal abgeschickt?
Doch ein solches Signal sendete man nicht, wenn man sich nicht Chancen ausrechnete, dass irgendwer die Nachricht empfing.
Dieser Jemand würde wahrscheinlich auf das Signal reagieren und nachsehen, was geschehen war.
Wahrscheinlich war die Zeit, die den Menschen zur Untersuchung des Wracks blieb, also knapp bemessen. Kaum, dass sie es geschafft hatten, überhaupt zu dem fremden Schiff vorzustoßen, kam es jetzt vielleicht auf jede Sekunde an.
Und wem hatte der Hilferuf gegolten?
Tekener machte sich nichts vor. Er
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