234 - Das Drachennest
Mag’uz feixte. »Du ziehst mit sieben Kriegern durch die Gewässer zwischen den Inseln«, befahl sie Quo’pok. »Nicht, dass noch mehr Quallen dieses dekadenten Gesindels hier herumstreunen!« Mit einer Kopfbewegung deutete sie erst auf eine Kriegerin und dann auf den Gefangenen. »Und wir beide schaffen diesen Leckerbissen ins Drachennest!«
***
Zwei Frauen legten den stöhnenden Hagenau auf ein Feldbett, das sie zuvor im Schatten einer überhängenden Felswand aufgestellt hatten. Ihre Gesichter waren ausdruckslos und kalt – es waren Maschinen in Menschengestalt. Warlynne-Alpha-Modelle, um es genau zu sagen.
Ihr Grunddesign hatte General Arthur Crow nach dem Abbild seiner verstorbenen Tochter Lynne Crow gestalten lassen; individuell konnten sie danach mittels Perücken, Implantaten und Einfärbung verändert werden. Jedem Modell hatte er einen eigenen Namen gegeben, der auf einem Namensschild über der Brusttasche ihrer Kampfanzüge zu lesen war. Die beiden, die sich um Hagenau zu kümmern hatten, hießen Cleopatra und Condoleezza.
Die Warlynne-Beta-Modelle sahen dem General selbst ähnlich. Zwei von ihnen, Cäsar und Ulysses, hatte er auf Patrouille ins Felstal geschickt. Überraschungen waren das Letzte, was Arthur Crow jetzt gebrauchen konnte.
Die beiden Warlynnes stellten einen Klapptisch auf und holten ihre Instrumente aus einem Leichtmetallcontainer. Danach banden sie sich Schürzen aus Kunststoff um. Jede ihrer Bewegungen verfolgte Hagenau mit ängstlichem Blick. Cleopatra hatte plötzlich ein Laserskalpell in der Hand, Condoleezza ein Desinfektionsmittel und ein steriles Tuch.
»So, mein lieber Hagenau, dann wollen wir mal.« Crow beugte sich über seinen Adjutanten und begann dessen Bauch zu entblößen. Agat’ol beobachtete die Szene von der Hauptluke des alten Transportgleiters aus.
»Nein!« Hagenau schob die Arme des Generals weg. »Diese Modelle haben noch nie eine Blinddarmoperation durchgeführt…!« Merkwürdig klar wirkte er auf einmal wieder.
»Reißen Sie sich gefälligst zusammen, Hagenau!« Unwillig zog Crow die Brauen zusammen. »Ich habe die Steuerspeicher von Condoleezza und Cleopatra mit sämtlichen relevanten medizinischen Daten gefüttert, die ich im Bordrechner finden konnte. Kommen Sie schon! Notfalls operieren die ihnen sogar eine Phimose oder amputieren Ihnen den Oberschenkel!«
»Ich will nicht!« Mit weinerlicher Miene schloss Hagenau die geöffnete Hose wieder und verschränkte die Arme über seinem Bauch, als wollte er seinen Blinddarm verbergen und schützen.
»Das ist glatte Befehlsverweigerung!« Eine Zornesfalte grub sich zwischen Crows Brauen ein. »Wissen Sie, was darauf steht?«
»Agat’ol soll diese Heilpflanze beschaffen…«
Crow drehte sich nach Agat’ol um. »Die hilft gegen jede Art von Entzündung, das kann ich Ihnen versichern«, sagte der.
»Wir verlieren nur wertvolle Zeit mit der Suche nach dem Zeug!« Crow platzte der Kragen, er wurde laut. »Wir müssen die Waffe vor Commander Drax finden!«
Agat’ol stieß sich von der Einstiegstreppe ab und ging zu Crow.
»Die Heilalge wächst überall hier in Küstennähe«, behauptete er. »Es wird nicht lange dauern, bis ich sie gefunden habe und zurück bin.« Zwischen Crow und Hagenaus Liege blieb er stehen. Die beiden Maschinenwesen in ihrer Starre waren ihm unheimlich. »Versuchen wir es doch einfach.«
»Ja«, stöhnte Hagenau, »versuchen wir es doch einfach…« Dankbar und aus feuchten Augen blinzelte er zu Agat’ol hinauf. Der merkte, dass die Wirkung des Giftes allmählich nachließ.
Hagenau und Crow stritten noch ein Weilchen herum, schließlich gab der General nach. »Also gut, Hagenau«, seufzte er. »Ich gebe unserem schuppigen Freund hier genau zwei Stunden. Wenn er bis dahin nicht mit dem Heilkraut zurück ist, wird operiert. Ist das klar?« Hagenau nickte hastig. »Hau schon ab, Agat’ol.« Crow wandte sich an den Fischmenschen. »Und sieh zu, dass du das Zeug so schnell wie möglich herbeischaffst!«
»Jawohl, General Crow.« Agat’ol drehte sich um und lief los. Endlich! Seine Taktik und seine Geduld hatten sich ausgezahlt. Hastig durchquerte er das Tal, rannte durch die Felsschneise, stürmte über den Sandstrand und warf sich in die Brandung. Wenig später erwischte er einen gelb und blau gestreiften Fisch, nicht größer als seine Hand. Heißhungrig schlang er ihn herunter. Dann begann er laute Knack- und Zischlaute auszustoßen.
***
Bionetische Leuchtzellen tauchten
Weitere Kostenlose Bücher