234 - Das Drachennest
Rottenmeister. »Sehen wir etwa aus wie schwache Krieger?«, fragte der mit drohendem Unterton.
»Nein, nein… ich wollte nur…«
»Na, also!« Kor’nak blickte in die Runde. »Stärkt euch, meine Brüder und Schwestern – kurz vor Sonnenaufgang greifen wir an!«
»Und was machen wir mit diesem Pflanzenkauer hier?« Mag’uz trat Xop’tul gegen die Schulter. Der kippte um und blinzelte ängstlich zu ihr hinauf.
»Wir sollten keine Zeit mehr vertrödeln«, sagte Pan’ek. »Schneiden wir ihm die Kehle durch.«
»Werft ihn lieber noch ein Weilchen in die Grotte«, schlug Quo’pok vor. »Dann ist er noch frisch, wenn wir zum Abendessen zurückkommen.«
»Nein!« Kor’nak trat vor den vollkommen verängstigen Xop’tul. »Er weiß zu viele Dinge, die interessant für uns sind. Ich habe eine andere Idee.« Er blickte in die Runde. »Wir werden ihm das Fleischfressen beibringen, dann redet er irgendwann von ganz allein.« Die anderen staunten ihren Rottenmeister an. Agat’ol lief ein kalter Schauer über den Rücken. Xop’tul würde dasselbe Schicksal erleiden wie damals er – nur dass diesmal nicht menschliche Barbaren, sondern Hydriten den Wandel vom friedlichen Hydriten zum blutrünstigen Mar’os-Jünger vollzogen.
Kor’nak deutete auf Pan’ek. »Du übernimmst das! Und Agat’ol wird dir helfen! Während wir den Lungenatmer und seine Möchtegernkrieger totschlagen, sorgt ihr dafür, dass dieser Pflanzenkauer hier ein ganz neues Leben anfängt!«
***
Ein weiterer Schlag gegen den Gleiter ließ den Metallkörper dröhnen wie eine Glocke. Dann detonierten Geschosse draußen und Warlynnes riefen Befehle.
Crow lauschte. Der Schreck war ihm in alle Knochen gefahren. Wo steckten Cäsar und Ulysses? Wieso hatten sie den Drachen nicht aufhalten können? Und Cleopatra und Condoleezza – hatte der gigantische Drache sie etwa zermalmt, wie er Double-U zermalmt hatte? Dem General schnürte es das Herz zusammen – es waren nur Maschinen, aber irgendwie hing er doch an seinen synthetischen Kriegern.
Hastig aktivierte er das nächste Warlynne-Beta-Modell, das seinen Namen nach dem deutschen Reichskanzler von Bismarck erhalten hatte. »Raus, Otto! Unterstütze Victoria! Koordiniere den Angriff!« Seine Stimme überschlug sich vor Erregung. »Schafft mir die Bestie vom Hals! Jage sämtliche U-Men auf sie!«
»Sehr wohl!« Crows kahlköpfiges Ebenbild erhob sich. Über den schrägen Boden balancierte das Warlynne-Beta-Modell zum Ausgang.
Crow aktivierte noch die letzten beiden Modelle, Isabella und William, Erstere nach der Königin von Kastilien und Aragonien benannt, Letzterer nach dem Nordstaatengeneral William T. Sherman. »Suche nach Agat’ol«, befahl er Isabella, die mit ihren roten Haaren seiner Tochter Lynne am ähnlichsten sah. »Hole ihn zurück! Wir müssen so schnell wie möglich starten!«
»Ich werde tun, was ich kann, General.« Auch Isabella verließ den Laderaum und den Gleiter. Auf Knien und Ellenbogen kroch Crow hinter ihr her. Merkwürdig ruhig war es jetzt außerhalb des Gleiters.
»Ich warte auf meinen Befehl, General Crow, Sir«, tönte Williams monotone Stimme hinter ihm aus dem Laderaum.
»Du bleibst vorläufig als mein persönlicher Leibwächter in meiner Nähe, Onkel Billy.«
»Aye, General Crow, Sir.«
Arthur kroch die Schräge hinauf bis zur Luke und dann bis zum Ausgang. William folgte ihm. Die Scheinwerferkegel der U-Men durchbohrten die Dunkelheit. Niemand kämpfte mehr. Crow konnte es nicht glauben. Er wechselte ins Cockpit und tastete die Umgebung des Gleiters mit den Ortungsinstrumenten ab. Eine riesige Wärmequelle lag etwa dreißig Meter entfernt. Sie veränderte ihre Position nicht.
Die Echse! War sie tot?
Arthur Crow verließ das Cockpit und kletterte aus dem zur Seite gekippten Gleiter. William folgte ihm wie ein Wachhund. Das hätte der wirkliche Sherman niemals getan, obgleich man ihn zu Lebzeiten hinter vorgehaltener Hand als »verrückten Hund« bezeichnet hatte.
Crow wusste das aus den Datenbanken des Pentagonbunkers. William T. Sherman – »Uncle Billy«, wie seine Soldaten ihn genannt hatten – zum Beispiel war West-Pointer des Jahrganges 1840 gewesen. Als Unionsgeneral hatte er während des amerikanischen Bürgerkriegs Atlanta erobert und zur Plünderung freigegeben. Die zeitgenössische Presse hatte ihn hin und wieder für geisteskrank erklärt.
Crow warf einen Blick auf den Gleiter. Der sah derart demoliert aus, dass dem General schier die Tränen
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