23,5 cm harte Arbeit: Mein Leben als erfolgreichster deutscher Pornodarsteller (German Edition)
begannen, pflückte ich außerdem ganze Sträuße und verkaufte sie vor dem Friedhof an die Omis und Opis: einen kleinen Strauß für eine Mark, einen großen für zwei Mark. Keiner der Passanten konnte mir, dem kleinen, gelockten Jungen, etwas abschlagen. Meine Blumensträuße gingen weg wie warme Semmeln.
Ende des Sommers pflückte ich Äpfel und Birnen in verlassenen Gärten und an Alleen. Diese verkaufte ich körbeweise an die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft. Im Herbst sammelte ich jeden Tag Eicheln und Kastanien, die der Tierpark und der Förster erwarben.
Auf diese Weise wurde ich zum besten kleinen Geschäftsmann weit und breit. Bald schon besaß ich mehr Cowboys und Indianer, mit denen ich mich in unseren Garten verdrückten konnte, als alle meine Freunde zusammen. Ich hatte mehr Spielzeugautos als sie, mehr Spielzeugwaffen, mehr Briefmarken und Münzen. Und mehr Geld.
Eines Abends – ich betrieb meinen emsigen Handel schon eine ganze Weile – fand ich einen Lohnstreifen im Schrank meines Vaters. Er verdiente 1200 Ostmark. Ich blickte in meine Geldbörse und stellte fest: Ich besaß mehr, als er in einem Monat bekam. Ich verspürte Genugtuung. Zugleich packte mich der Ehrgeiz: Ich wollte bei allem, was ich machte, der Beste sein.
Der Wettkampfgedanke hatte für mich schon immer eine große Rolle gespielt. Wann immer ich mit anderen Jungs unterwegs war, ging es um die Frage: Wer klettert auf den höchsten Baum? Wer rennt am schnellsten ums Haus? Wer schmeißt den Schneeball am weitesten? Wer kommt am schnellsten mit dem Fahrrad ans Ziel?
Freunde, die mich näher kennen, behaupten heute, die leidvollen Erfahrungen mit meinem Vater seien schuld an dieser Eigenart. Weil ich mir – mehr aber noch ihm – beweisen wollte, dass ich sehr wohl zu etwas tauge. Und damit er dann endlich gnädiger mit mir war.
Ich selbst kann mich nicht daran erinnern, eine solche Hoffnung gehegt zu haben. Ich weiß nur, dass es mich einfach reizte, die anderen Jungs ständig zur »Weltmeisterschaft« herauszufordern. Nicht einfach nur ein normaler Wettkampf, nein, wenn schon, dann mindestens die WELT meisterschaft. Die Springweltmeisterschaft. Die Baumkletterweltmeisterschaft. Die Rennweltmeisterschaft. Mit weniger als dem WELT besten wollte ich mich nie zufriedengeben.
Kein Wunder also, dass ich mich schließlich auch für Sport begeisterte. Sport war für mich, der kaum still sitzen konnte, sowieso die ideale Freizeitbeschäftigung. Und nirgendwo konnte ich besser Wettkämpfe austragen als dort.
Die ersten Gehversuche unternahm ich in der Leichtathletik. Bei den Spartakiaden, Sportwettkämpfen für die DDR-Jugend, maß ich mich mit den Kindern anderer Schulen und Dörfer. Ich war wie ein kleines Wiesel und konnte am schnellsten rennen, am weitesten und am höchsten springen. Wurde ich einmal Zweiter, ärgerte mich das fürchterlich. Warum hatte es nicht für den ersten Platz gereicht? Hätte ich besser trainieren sollen?
Einige Monate später belegte ich Schwimmkurse. Ich mochte es, mit den anderen Jungs um die Wette zu schwimmen oder zu tauchen. Ich war nicht der beste Schwimmer, aber auf dem besten Weg. Als der Lehrer mir allerdings wegen einer frechen Bemerkung was hinter die Ohren gab, verlor ich die Lust am Schwimmen und ging nicht mehr zu den Kursen.
Doch wenig später erzählte mir jemand vom Ringen. Das klang nach ... Herumbalgen. Das klang gut. Beim Ringen bekam ich meinen ersten Spitznamen: »Gazelle«. Keiner flitzte so schnell auf der Matte herum wie ich, denn ich wollte mich einfach nicht von meinen Gegnern greifen lassen. So gut mir nämlich das Ringen gefiel – der unmittelbare Körperkontakt behagte mir nicht und ebenso wenig die Gewalt, die davon ausging: das Packen, das Greifen, das Zu-Boden-Werfen.
»Micha, du müsstest eigentlich Judo machen«, sagte einer meiner Kumpels.
Also ging ich zum Judo. Aber dort war alles noch viel schlimmer. Beim Judo ging es ausschließlich ums Werfen – und um die Schmerzen, die man beim Fallen erlitt. Doch davon hatte ich zu Hause schon genug.
So kam es schließlich, dass ich Karate für mich entdeckte. Beim Karate ging es nicht nur um Wettkampf, sondern auch um Körperbeherrschung – und um Distanz. Karate wurde mein Sport.
Unter all meinem außerschulischen Engagement, der Arbeit und dem Sport, litten meine Schulnoten mehr, als sie es ohnehin schon getan hatten. Bislang hatte ich die Versetzung jedes Jahr geschafft, wenn auch mit Ach und Krach.
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