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2352 - Griff nach Drorah

Titel: 2352 - Griff nach Drorah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Transport vom Raumhafen konnte Jere tan Baloy zufällig beobachtet haben. Der fünfte Patient war entlassen worden, der sechste war gestorben. „Das nenne ich natürliche Auslese", flüsterte Eniva, die sich auf ihren messerscharfen Verstand nicht wenig einbildete. Es dauerte eine halbe Stunde, bis sie auf verschlungenen Wegen die Krankenakte ihres Opfers auf dem Holoschirm hatte.
    Schweigend las sie die Kurzbeschreibung und wusste, dass sie - höchstwahrscheinlich - den Gesuchten gefunden hatte.
    In einem Monat würde er entlassen werden. Es war dieser riesige, massige Mann, 47 Jahre alt (Brüche, Verbrennungen, schwere, aber reparable Schädigungen des Nervensystems), den sie beim Lauftraining getroffen hatte.
    Nur seinen Namen erfuhr sie nicht.
    Das war für sie das Zeichen, dass er einer Organisation angehörte, die ihre Mitglieder auf diese Weise schützte: dem Energiekommando.
    Sorgfältig verwischte sie die Spuren ihres positronischen Eindringens und schaltete ihre Geräte ab. Das Glas war leer, und als sie in der winzigen Küche hantierte, fragte sie sich, warum sie und ihre Schiffskameraden nicht aus Konar geflüchtet waren. Sie betrachtete melancholisch ihre Fingernagel-Gravuren, die längst ausgewachsen waren und erneuert werden mussten. War es noch wichtig?
    Sie zuckte die Achseln. Hinaus aufs freie Land. Oder in eine andere Stadt. Nach Garetar vielleicht oder nach Karsenth, Impton oder auf eine Insel im Südmeer-Archipel. Sie wusste es nicht. Es hatte sich so ergeben, dass Jere, Ameda, Solina, Hevror und sie, deren Quartiere in geringer Entfernung zueinander lagen, gemeinsam das Schiff verlassen hatten. Eniva erhitzte einige Fertiggerichte, aß sie lustlos und suchte ihr Bett auf.
    Vielleicht waren ihre Träume schöner als die Wirklichkeit.
     
    *
     
    Unter der bläulichen Strahlung Akons und dank teurer Salben waren die meisten Pigmentflecken auf seinen Oberschenkeln und Unterarmen halbwegs vergangen. Sie wirkten nicht mehr auffällig oder gar abstoßend. Hevror ta Gosz dachte an sein Flügel-Set und an die Unmöglichkeit, in diesen Zeiten „frei" zu fliegen.
    Das Gestänge Und die Folie steckten im Köcher, der unter dem Holoprojektor lag.
    Er brauchte nur den Arm auszustrecken, aber in Wirklichkeit war das Fluggerät unerreichbar fern.
    Hevror fürchtete sich davor, von den Mor'Daer abgeschossen zu werden. Auch wenn er die Aufwinde am Ende einer der fünf Landzungen benutzen würde, an der Felsküste Garoths oder Valroors beispielsweise, würden es die Wächter der Kolonne als Verstoß gegen irgendeinen Artikel der TRAITOR-Direktive bestrafen.
    Er lehnte sich zurück. Kurz darauf sprang er auf, lud einen Speicherchip ins Abspielgerät und schaltete auf Wiedergabe.
    Das Breitwand-Hologramm zeigte einen Zusammenschnitt seines letzten Fluges.
    Von seiner Kopfkamera und zwei Kameras am Boden und in einem Gleiter aufgenommen.
    Solina Tormas hatte den Gleiter gesteuert und die Kameraführung innegehabt. „Ach Solina", sagte er leise und bewunderte die Landschaft, die Flugmanöver, die fast lautlose Eleganz des Sehwebens, in der das Knistern der Folie und das leise Rauschen des Windes die einzigen Geräusche waren. Noch ehe der Film die Landung im Savannengras der Ebene zeigte, war Hevror eingeschlafen.
    Nein, ein weiterer Flugversuch ist ausgeschlossen, waren seine letzten Gedanken; schließlich würde er Jere und den Bordkameraden weiterhin helfen, so gut er es konnte.
     
    *
     
    Es ist wichtig, die Hand zu heben oder die Faust zu recken, um zu zeigen, dass man nicht dafür ist, auch wenn man sich nicht deutlich dagegenstellt, dachte Dorn Tevomor, als ihn der Reinigungsroboter zum dritten Mal verwarnt und im Fesselfeld vom Platz abtransportiert hatte.
    Nichts hatte sich geändert. Die Akonen der Metropole mieden den weiten Platz um den Ratspalast. Von daher beachtete niemand den Protestierenden und seine täglich wechselnden Parolen. Aber heute, viereinhalb Tage nach seinem ersten, einsamen Auftritt, würde sich alles ändern. Nein. Nicht alles, aber vieles. Er sah den Folgen seines Einfalls mit Ungeduld entgegen.
    In einem Winkel seines Verstandes, der in der Realität dieser misslichen Tage verankert war, nistete die Überzeugung, dass sein Tun widersinnig und in höchstem Maß überflüssig war. Aber Dorn hatte sich entschieden und blieb dabei. Er saß einige Dutzend Schritte von seinem bisherigen Platz entfernt, an der Rampe, die zum Brunnen führte. Von seinem rechten Knöchel führte eine Kette

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