2353 - Requiem für einen Mond
Angst. Das Chaos, das Schweigen - und doch das Wissen, dass um ihn herum etwas im Gange war, etwas ablief, unsichtbar, nur zu spüren, das ging direkt ins Mark und war dazu angetan, stabilere Charaktere als ihn in den Wahnsinn zu treiben.
Auf halber Strecke zur Stadt entdeckte er die ersten Dunkelkapseln. Sie waren nur Schatten vor dem unheimlichen, strahlenden Himmel, aber sie waren da, und sie waren überall. Sie gingen ihren geheimnisvollen Aktivitäten nach. Die Kolonne tat etwas mit diesem Mond, und das bestätigte genau das, was Karoon-Baal schon die ganze Zeit gefühlt, aber noch nicht ausgesprochen hatte: Die Terminale Kolonne hat Xölyar längst in ihren Besitz genommen. Ihre Truppen scheinen den Himmelskörper auf rätselhafte und verhängnisvolle Weise zu präparieren, während ihre Fabriken und MASCHINEN im Orbit darauf warten, dass sie mit ihrer Arbeit fertig werden.
Taje fluchte die ganz Strecke über.
Allmählich wuchs der Zorn in ihm, kalter Zorn auf die, die sich in „seinem" System breitgemacht hatten, seiner Heimat. Die dabei waren, ihm alles zu nehmen, was ihm etwas bedeutet hatte. Seine Freunde, seine Ziele, seine Pläne. Taje flog über eine in Agonie liegende Landschaft, funkte vergeblich in alle Richtungen, sah immer öfter die finsteren Schatten und wurde sich dessen bewusst, dass er seinen Dienst als Agent des Energiekommandos nie wirklich gekündigt hatte. Er war Akone und vielleicht der Einzige hier, der noch bei Verstand war. Der nicht begriff, was um ihn vorging, aber es sah und fühlte.
Und er war nicht waffenlos. Er sah keinen Gegner, auf den er losgehen konnte, kein Ventil für seinen unbändigen Zorn und Hass. Er trug den Signalgeber am Arm, den Fernzünder für einige hundert Ziele auf Xölyar, aber er sah kein solches Ziel.
Er hatte noch keinen einzigen der hierher gestarteten Mini-Obelisken entdeckt - wo waren sie? Was er nicht sah, konnte er nicht angreifen.
Aber die Dunkelkapseln. Wer auch immer in ihnen saß, ob vierarmige kleine Kämpfer oder die insektoiden Kolonnen-Geometer, die zuerst in Konar aufgetaucht waren, um ihren geheimnisvollen Tätigkeiten nachzugehen, war sein Feind. Er konnte ihn vielleicht nicht aufhalten, aber er konnte ihm so viel Schaden zufügen wie nur irgend möglich.
Und plötzlich waren sie überall. Die Schatten. Sie schienen ihn zu umschwirren, bis er merkte, dass sie einfach da waren.
Was immer auf Xölyar passierte, es geschah hier.
Taje aktivierte den Signalgeber und ließ sich die Ziele in seiner Nähe anzeigen.
Dann begann er, sie zu zünden. Er konnte nicht sehen, ob gerade dort Dunkelkapseln waren, aber sie waren ja überall. Er würde so viele vernichten wie möglich, selbst auf die Gefahr hin, dabei Akonen zu töten. Es war unwahrscheinlich, aber er musste es in Kauf nehmen. Er befand sich im Krieg.
Er war der Einzige, der etwas auszurichten vermochte, und daher tat er es. Er befahl eine Zündung nach der anderen, blindwütig, rasend. Und trotzdem blieb er im Kopf klar. Er verlor nicht den Verstand.
Er war Akone und ein Agent des Energiekommandos. Er war nie ein kritikloser Befehlsempfänger gewesen und hatte sogar als aktiver Agent mehrfach Mordaufträge vereitelt, wenn sie ihm unangebracht erschienen.
Taje schlug blind um sich. Er wusste es, aber es war alles, was er tun konnte. Doch dann, wie ein Geschenk der Götter, sah er durch sich auftuende Lücken im Geflirre und Flackern des Himmels die gigantische Gestalt über sich, die nur eine der Kolonnen-Fabriken sein konnte. Sie „hing" fast genau über ihm, spannte sich scheinbar von einem Horizont bis zum anderen.
Und warum auch immer sie hier Station bezogen hatte - sie befand sich genau über einem weiteren vom E-Kom verminten Ort!
Taje hielt den Atem an. Er wusste, wenn es ihm gelang, einen solchen Riesen zu sprengen, hatte er einen echten Punkt errungen, der Kolonne vielleicht sogar einen wirklichen Schlag versetzt. Ihm war aber auch klar, dass er bei diesem Versuch wahrscheinlich selbst den Tod finden würde. Wenn die Fabrik auseinander flog, würde nicht viel von ihm übrig bleiben. So schnell konnte er unmöglich entkommen. „Scheiß drauf!", schrie der Akone und aktivierte das Ziel, den Sender.
Gab den Befehl zur Zündung...
*
Drei Stunden lang hatte er es ausgehalten.
Drei lange Stunden in einer Welt, von der er wusste, dass sie nicht mehr den Akonen gehörte. Die nicht mehr in diesem Universum zu existieren schien, auf der kein Platz war für Wesen
Weitere Kostenlose Bücher