2363 - Atem der Finsternis
schien ineinander zugreifen.
Zentz E. Graffel war Arzt, kein Techniker.
Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, wie ein Antrieb funktionieren konnte, wo keine Ortung möglich war. Wie ein Informationsfluss zwischen den Systemen eines Schiffs zustande kommen konnte, wo die Stimmen und das Licht in seinem Innern verzerrt waren. Aber er klammerte sich an die Hoffnung.
Der Chefmediker fühlte wieder die Hand auf seinem Arm. „Wir schaffen es, weil wir es müssen, Zentz. Alles wird gut."
Graffel drehte den Kopf und sah Pepe Bergmann in die Augen. Er sah ihren Mut und ihre Zuversicht darin - aber auch etwas, das ihm bisher nie aufgefallen war: eine verborgene tiefe Angst; eine Unsicherheit, die zu ihr passte wie das Licht zum Dunkel; ein stummes Flehen und eine Sehnsucht...
Es war schnell wieder vorbei. Da waren nur der feste Blick und die Hoffnung, das Wissen um das Gelingen, und er ahnte, dass sie ihm für einen winzigen Augenblick einen Blick in ihr tiefstes Inneres gewährt hatte.
Ihn schauderte bei dem Gedanken an das, was diese Frau einmal so verletzt haben mochte, dass sie die Wunden fest eingeschlossen in sich trug. Gleichzeitig fühlte er den Wunsch, sie zu beschützen und nicht zuzulassen, dass ihr je wieder wehgetan wurde. „Ja", sagte er. „Alles wird gut ..."
Er nahm sie in den Arm, und sie ließ es sich gefallen. Und zusammen spürten sie das plötzliche Vibrieren unter ihren Füßen.
*
Die Aggregate arbeiteten, und die GESUNDHEIT VII hob ab! „Wir fliegen!", rief Arness Holftar triumphierend, doch seine Stimme verriet, dass er im Grunde nicht daran geglaubt hatte. „Wir sind unterwegs!"
Graffel fühlte es. Sehen konnte er es nicht.
Nur wenige Bildschirme funktionierten, und kaum ein Holo schaffte es, sich zu stabilisieren. Es gab keine „Bilder" von draußen. Es gab keine Werte, keine Ortung. Die GESUNDHEIT flog blind.
Man konnte noch nicht einmal sagen, ob sie senkrecht in den Himmel schoss oder dicht über die Oberfläche jagte, vielleicht mitten in ein Gebirge hinein, um an einem Bergmassiv zu zerschellen.
Die Triebwerke wummerten. Graffels Herz schlug schnell. Jeden Moment konnte es zu einer Katastrophe kommen. Er wartete förmlich darauf, und in diesen Sekunden wurde ihm klar, auf was sie sich eigentlich eingelassen hatten. Es war mehr als nur Wahnsinn. Sie saßen in einem zusammengeflickten Raumschiff, das von fit gespritzten Menschen geflogen wurde, und rasten hinein in eine Dunkelheit, in der es kein Unten und Oben mehr zu geben schien.
Nicht die Triebwerke trugen sie, sondern ihre Hoffnung. Der verzweifelte Schrei nach Leben und Entkommen aus einer Hölle, die sich gerade erst aufgetan hatte.
Plötzlich ging ein heftiger Ruck durch den Diskus. Graffel wurde von den Beinen gerissen, stürzte mit Pepe Bergmann und landete hart auf dem Boden. Für einen Moment rissen die Schleier wieder auf.
Kontrollen blinkten, Männer und Frauen schrien.
Graffel sah Lichter tanzen, Bilder, Kurven, Symbole. Alles drehte sich. Als er glaubte, sich übergeben zu müssen, war es so schnell wieder vorbei, wie es gekommen war.
Die GESUNDHEIT VII flog wieder, sie flog weiter - wohin auch immer. „Wir haben an Höhe gewonnen!", verkündete Holftar. „Die Anzeigen haben für einen kurzen Moment funktioniert. Die Triebwerke arbeiten, aber sie haben Aussetzer. Daran werden wir uns gewöhnen müssen, es wird noch öfter geschehen. Aber wir fliegen! Wir sind auf dem Weg!"
„Aber wohin?", fragte Abogail Trodat. „Wenn wir den Weltraum erreichen, wo sind die Traitanks? Wir können sie nicht einmal orten, wenn sie direkt vor uns sind!"
„Stimmt!", kam es von Arena Woywod. „Aber sie uns auch nicht."
Was für ein toller Trost!, dachte Zentz E. Graffel.
Unwillkürlich wartete er darauf, dass Pepe Bergmann etwas sagte. Sie hatten sich gegenseitig wieder auf die Beine geholfen und hielten sich bei den Händen.
Aber sie schwieg, und das machte ihm weit mehr Angst als alles andere
9.
CRULT
Irgendwann fühlte er wieder etwas. Es war wie ein Erwachen aus einem tiefen Schlaf.
Algrim Gún war für einen Moment irritiert und wusste weder, wo er war, noch wer er war, geschweige denn, was er hier tat.
Um ihn herum ... Dunkelheit, Finsternis, die nach ihm griff.
Die Panik explodierte in ihm und riss ihn zurück in die Wirklichkeit, die keine Wirklichkeit sein konnte. Aber er wusste, in welcher Gefahr er war und dass es von hier kein Entkommen gab. Er war gelähmt, und die Finsternis
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