2366 - Unter dem Kristallgitter
nicht den Tatsachen entsprechen. Es kann auch Illusion sein.
Wie also beschreibst du den, der da ist und den wir nicht sehen?"
Der Konvergente Denker kann ebenso gut der Luftzug von vorhin wie eine Illusion sein, verkündete der Extrasinn.
Danke, gab ich ironisch zurück. „Ihr habt mir viel zum Nachdenken gegeben. Ich bin müde und möchte schlafen", sagte ich. „Gute Nacht und danke für eure Gastfreundschaft. Vor Tagesanbruch mache ich mich auf den Weg."
Ich verbeugte mich leicht, dann ging ich hinaus. Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Ich suchte die Sterne Omega Centauris, doch sie waren nicht zu sehen.
An ihrer Stelle füllte ein verwaschenes, leicht fluoreszierendes Netz den Himmel aus. Vereinzelt glaubte ich kristalline Strukturen zu erkennen.
Ein netzähnliches Kristallgitter, das den Planeten einhüllte?
Es war Bestandteil deiner Wahrnehmung, während die HALLEY entmaterialisierte, in den Hyperraum geschleudert wurde und du auf unbegreifliche Weise nach Anghur Al-Tare geraten bist!, stellte der Extrasinn fest.
Der Eindruck des Gitternetzes hatte sich in mein Bewusstsein eingebrannt. In meiner Erinnerung setzte ich das Erreichen des Gitters mit der Schwelle vom Tod zum Leben gleich. Anschließend war ich auf Anghur Al-Tare materialisiert.
Lange blickte ich zu dem gleichmäßig strukturierten Nachthimmel hinauf. Mit dem Gedanken an die Gefährten suchte ich erst viel später das Gästehaus auf und fiel in einen tiefen und traumlosen Schlaf
3.
Hinter dem Horizont liegt es, hatte mein Führer-Peltron gesagt und mir die Lederzügel des Legany in die Hand gedrückt. Zum Abschied waren die Ältesten gekommen. Ihr Fackelschein leuchtete noch lange in der Dunkelheit.
Das Legany behielt die einmal eingeschlagene Richtung bei. Als das Licht der Fackeln unter den Horizont sank, blieb nur der diffuse Schein des Kristallgitters hoch droben. Ich versuchte den Abstand des Gebildes über dem Boden zu schätzen, gab es aber bald auf. Der fluoreszierende Widerschein wurde immer heller, bis er blendete. Über Anghur Al-Tare brach der Tag an, überall auf allen Seiten des Planeten gleichzeitig, gerade so, als habe jemand einen stufenlosen Dimmer eingeschaltet.
Der Lichtschein brachte Wärme, obwohl es in der Nacht nicht spürbar kälter geworden war. Die physikalische Erklärung war recht einfach. Wenn das Gebilde diese Welt rundum einhüllte, strahlte Anghur Al-Tare keine Wärme ins Weltall ab. Dennoch ließ das Gitternetz einen Teil davon durch, sonst hätte sich der Planet längst in einen Ofen verwandelt.
Ich sah auf das Kombiarmband und las die Zeit ab. Die Nachtphase hatte elf Stunden und 48 Minuten gedauert. Eine Aussage, ob sie synchron zur Rotationsdauer des Planeten verlief oder willkürlich gewählt war, konnte ich nicht treffen.
Nach einer knappen Stunde in verhaltenem Galopp tauchte eine Siedlung vor uns auf.
Das Legany verlangsamte und blieb kurz darauf stehen. Ich versuchte es anzutreiben, aber es fing an zu bocken. Als ich ihm gut zuredete, warf es den Kopf in den Nacken. Die spitzen Hörner stießen in meine Richtung. „Na gut." Ich stieg ab. Vermutlich war es die Witterung, die das Tier scheu werden ließ. Ich sah dem Legany zu, wie es sich ein Stück entfernte, im Kreis ging und nach der Stelle mit dem besten Gras suchte. Genüsslich fing es an zu fressen. „Ich komme wieder", sagte ich und versuchte, den Tonfall des hiesigen Lemurisch so gut wie möglich zu imitieren.
Die letzten zwei Kilometer legte ich zu Fuß zurück. Schon von weitem erkannte ich die Unterschiede zum Dorf der Lemurer. Die Hütten dieser Ansiedlung ähnelten kunstvollen Tipis aus Zweigen und Blättern, und sie waren über drei Meter hoch. In mehreren Kreisen umgaben sie das Zentrum des Dorfes.
Außerhalb der Spitzkegelhütten entdeckte ich einen Verhau aus Geäst, der die Siedlung als künstliche Barriere umgab.
Vor wilden Tieren mussten sich die Mograks auf dieser Welt bestimmt nicht schützen. Also galten die Sicherheitsvorkehrungen ihren lemurischen Nachbarn. Sie trauten ihnen nicht.
Nach all dem, was in der Vergangenheit zwischen den beiden Völkern gewesen war, war das kein Wunder.
Ein Stück seitlich meines Weges entdeckte ich eine Öffnung im Verhau. Dort saßen zwei Mograks und schoben Wache. Sie hatten mich schon entdeckt. Je näher ich kam, desto weiter wuchsen ihre Körper in die Höhe. Die breiten Köpfe mit den weiten Mündern ruckten hin und her, ein Zeichen von Nervosität. Als ich
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