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2369 - Quartier Lemurica

Titel: 2369 - Quartier Lemurica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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wahr?"
    Elfia wischte die Tränen der Anstrengung beiseite und blickte den Mann an.
    Ein Priester war er; zweifelsohne. Groß gewachsen, schwabbelig, in eine Kutte gekleidet, die von einem einfachen Strick zusammengehalten wurde. „Wird es meinem Baby gut gehen?", fragte sie. „Wie es der Alleshelfer versprochen hat", bestätigte der Priester. Er wirkte gelangweilt. Vielleicht war da auch ein wenig Abscheu in seinem Blick. „Wir nehmen 215.444.690 bei uns auf, erziehen ihn, machen ihn zu einem der Unseren. Du wirst dich niemals mehr um ihn sorgen müssen."
    „Darf ich ihn besuchen?", fragte Elfia wider besseres Wissen.
    Das Gesicht des Priesters wurde glatt und abweisend. „Du bist ab heute nicht mehr seine Mutter. Du gehst aller Rechte an 215.444.690 verlustig. Und jetzt wird's Zeit, dass du uns verlässt. Draußen wartet ein Robtrix, der dich in den Zug setzt.
    Deine Angehörigen warten sicherlich schon auf dich."
    Er wollte sie loswerden, ganz klar, wollte ihr die letzten Augenblicke, die ihr mit dem Kind blieben, auch noch rauben.
    Sie nahm das namenlose Baby hoch, streichelte ihm über die Wangen.
    Das Gesicht, dachte Elfia, ich muss es mir für alle Zeiten einprägen. Ab und zu kommen die Priester in die Stadt, aus welchen Gründen auch immer Ich darf dieses Antlitz niemals wieder vergessen, muss mich daran erinnern.
    Fünf Milliarden Raphanen lebten in Adur Bravuna. Die Chancen, ihrem Kind jemals wieder zu begegnen, waren gleich null.
    Aber wer wusste schon, was die Zukunft brachte? Nun, da die Familie ein Maul weniger zu füttern hatte, würde sich Windor vielleicht wieder umgänglicher zeigen und eine richtige Arbeit annehmen.
    Eine, mit der sie sich eine Wohnung näher zum Himmel leisten oder gar an die Randbezirke der Stadt ziehen konnten.
    Vielleicht hierher? Vielleicht in die unmittelbare Umgebung des Quartier Lemurica? Vielleicht konnte sie ihrem Sohn durch ein Fenster beim Aufwachsen zusehen?
    Wenn sie ihre Angst vor der grässlichen Weite dieses Landes zu überwinden vermochte. „Bist du endlich fertig?", fragte der Priester ungeduldig. „Andere Pflichten warten auf mich, Weib. Weitere Kinder werden noch heute hier eintrudeln, die meiner Aufmerksamkeit bedürfen."
    Ein pausbäckiges Lächeln erwärmte ihr Herz. Das Baby griff mit seinen winzigen Fingerchen nach ihrer Nase, klammerte sich daran fest. Nein. Sie schaffte es nicht.
    Sie konnte nicht... „Da hast du", sagte der Priester. „Um dir den Abschied leichter zu machen."
    Elfia fühlte Cyclo-Glas in ihrer Hand, dann ein weiteres Behältnis und schließlich noch eines. „Jetzt geh!"
    Der Priester nahm das Baby aus ihren Armen, drehte sich um, marschierte wortlos davon.
    Hinter ihr öffnete sich das Tor. Dahinter befand sich die Stadt. Die heimelige Enge dieses wunderbaren und doch so schrecklichen Molochs, in den sie geboren worden war und in dem sie sterben würde.
    Sie drehte sich um, öffnete die erste Flasche des Scharfen, den sie vom Priester bekommen hatte, nahm einen kräftigen Schluck und ging davon. Helferlein-33 wartete auf sie.
     
    4.
     
    „Kommst du, Aheun?"
    „Bin schon unterwegs, Calazi. Ich esse nur rasch auf. Ist ja eine Sünde, das Mittagessen stehen zu lassen."
    Calazi Matmu lachte. „Das würde stimmen, wenn sich's um dein eigenes Essen handelte. Du aber kümmerst dich bereits um den Teller des vierten Sünders, einschließlich meines Gedecks."
    „Wenn's doch so lecker ist!"
    Mit einem letzten begehrlichen und bedauernden Blick auf einen unangetasteten Mehlspeisenhaufen erhob sich Aheun Arcalotz. Der Quittatenmasch roch zwar nicht besonders gut, aber an derartige lukullische Fehlgriffe hatte er sich längst gewöhnt. Die priesterschaftliche Küche mochte zwar von Zeit zu Zeit wahre Götterspeisen kredenzen, aber ebenso oft griffen die zuständigen Herrschaften beim Würzen und Mischen gehörig daneben. Im Blattnudelparfait zum Beispiel hatte eine Prise Kordelkraut gefehlt, um das Aroma des Gewürzkäses zu verstärken... „Ich sag's nicht noch einmal!", rief Calazi. „Wenn du nicht sofort kommst, machst du deine Hausaufgaben allein."
    Nun - dieses Risiko erschien Aheun nun doch zu groß. Calazi war eine der wenigen, die überhaupt mit ihm etwas zu tun haben wollte. Darüber hinaus half sie ihm in den schwierigen Fächern Mathematik und Ordenskunde. Von seinen Pflegeeltern konnte er längst keine Unterstützung mehr erwarten. Die hatten ihn anlässlich seines zehnten Geburtstags „freigestellt" und sich wieder

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