2377 - Escher
ihm unangenehm auf. Dennoch verkniff er sich ein patziges Was denn, Kowa? Auf dieses Niveau wollte er sich nicht begeben.
Hinter ihnen schloss sich die Glastür mit kaum wahrnehmbarem Zischen.
Gleichzeitig sprang drei Meter weiter eine Deckenleuchte an und verbreitete unangenehm grelles Licht.
Kowa grinste verächtlich. „Alles, was mit den Meistern der Insel zu tun hat, wird als gefährlich eingestuft. Also auch ESCHER, obwohl wir längst andere Wege gegangen sind."
„Das scheint ein vernünftiger Gedanke zu sein", meinte Savoire. „Wir sind Wissenschaftler. Jeder unserer Gedanken sollte vernünftig sein, sonst können wir gleich unseren Job kündigen."
„Vielleicht nicht jeder einzelne Gedanke."
„Leben wir für die Wissenschaft oder nicht?" Kowa massierte wieder die Nasenwurzel, es schien sich dabei um einen Tick zu handeln. „Die Arbeit an ESCHER ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Ist dein Zyklopenhirn in der Lage, diesen feinsinnigen Unterschied zu bemerken?"
Es lohnt sich nicht, Streit mit ihm anzufangen, dachte Savoire. Er ist es nicht wert. „Vielleicht besser als dein Wissenschaftlerhirn."
Diese Antwort entlockte seinem Gegenüber ein schmallippiges Lächeln.
Darin las Savoire allerdings eher Spott als echtes Amüsement. „Wir haben aus den alten Daten völlig andere Schlüsse gezogen. ESCHER ist in fast allen Aspekten anders konstruiert. als der Gedankenturm."
„Woher stammen die Daten? Wer hat sie entdeckt?"
Rodin Kowa blieb stehen und hob leicht die Hände. „Ich natürlich, wer sonst? Vor dem Hyperimpedanz-Schock. Vor sechzehn Jahren, um genau zu sein."
„1324 NGZ."
„Wie überaus scharfsinnig kombiniert."
Kowa atmete tief durch. „Ich wusste doch, dass ich mit dir letztendlich die richtige Wahl getroffen habe. Du bist absolut qualifiziert, denn du bist neugierig und beherrschst Kopfrechnen."
Langsam, aber sicher hatte Savoire genug von der Art seines Gegenübers. „Könnten wir bei der Sache bleiben? Woher hast du die Daten?"
„Es war nicht einfach. Eine Art Detektivleistung, die mich einige Jahre kostete. Ein Detail ist vielleicht erwähnenswert, denn es zeigt, wie sehr das Schicksal unserem Projekt gewogen ist.
Ich bin genau an meinem fünfundsiebzigsten Geburtstag fündig geworden."
„Ich glaube nicht an das Schicksal."
Kowa klopfte ihm auf die Schulter und ging wieder weiter. „Ich auch nicht, ich auch nicht. Ich glaube an die Wissenschaft und an die Kraft des Verstandes."
„Das meinte ich nicht. Ich bin der Meinung ..."
„Meinungen sind etwas für Laien und Frauen", unterbrach Kowa. „Für uns zählen Fakten. Willst du nun wissen, worum sich dein künftiges Leben drehen wird?" Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: „Ich zeig es dir. Hier im oberirdischen Teil des Gebäudes spielt sich nichts Interessantes ab. Wir nehmen den Antigravschacht bis ganz nach unten. Das Einzige, was du verpassen wirst, sind die positronischen Experimentalbauten, die mitsamt ihren Peripherien das Gebäude füllen."
„Klingt interessant", warf Savoire ein. „Schau dir in den nächsten Tagen alles an, aber langweile mich nicht damit. Das eigentliche Herzstück ESCHERS liegt unterirdisch: die Gedankenkammer."
*
Als er den ersten Blick in die Gedankenkammer warf, wusste Savoire, dass sich alles gelohnt hatte.
Der Weg nach Terra. Der Neuanfang in der Waringer-Akademie. Die Bewerbung für ein mysteriöses Projekt, über das er nichts wusste. Der unausstehliche Rodin Kowa.
Das alles hatte nur einem Zweck gedient - an genau diesen Ort zu gelangen.
In dem weißblau illuminierten Saal, der etwa 50 auf 50 Meter messen mochte, standen an den Wänden Behälter. Eine ganze Menge Behälter, in vier Gruppen eingeteilt. Savoire konnte den Blick nicht von ihnen nehmen. „Wir nennen sie Kreuzkokons", sagte Kowa. „Und du solltest sie nicht anstarren, sondern näher treten. Sie werden weder explodieren noch dich verschlingen." Er lachte.
Savoire fragte sich in dem kleinen Winkel seines Bewusstseins, der für irgendetwas außer den Kreuzkokons noch aufnahmefähig war, ob Kowa tatsächlich über Humor verfügte. Er würde Zeit haben, das herauszufinden, denn seit diesem Moment stand fest, dass Savoire das Projekt ESCHER keinesfalls wieder verlassen würde.
Die Kreuzkokons waren groß genug, einen Menschen aufzunehmen - und genau das war ihre Aufgabe. Auf einem massigen metallenen Unterbau ruhte auf jedem dieser Kokons zwischen Stützkissen eingeklemmt ein nackter Terraner,
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