2377 - Escher
die Arme ausgebreitet, sodass Savoire unwillkürlich an einen Gekreuzigten denken musste.
Eine transparente Haube bedeckte den jeweiligen Schläfer. Quer über der Leibesmitte verlief eine Querstrebe, aus der ein dickes Kabel ragte, das sich unterhalb mit weiteren Kabeln vereinte.
Wieder ergriff Kowa das Wort. „Vier Blocks mit je 16 Einheiten. Wir nennen sie der Einfachheit halber Nord, Süd, Ost und West. Wir stehen übrigens im Ostblock, vor der Einheit ..."
„Acht", murmelte Savoir. Die Zahl stand am Fußende des Kreuzkokons. „Wir haben uns für ein schlichtes Design entschieden", erklärte Kowa. „Einfaches Metall, keine große Verzierungen. Funktionell. Was entscheidend ist, liegt unter der Oberfläche."
Savoire fiel auf, dass die Kreuzkokons untereinander verkabelt waren; jeder schien mit jedem verbunden zu sein. Und natürlich lag gerade darin der Sinn des Projekts. Savoire schauerte, als er sich bewusst machte, was er soeben mit eigenen Augen sah.
Er trat ans Kopfende des achten Kokons und betrachtete den Terraner. Ein Mann im besten Alter, mit muskulöser Brust und stämmigen Oberarmen. Seine Gesichtszüge waren entspannt, kein Muskel regte sich. Die Augen waren geschlossen. Stirn und Hinterkopf waren von etwas verdeckt, was Savoire unwillkürlich an eine SERT-Haube erinnerte, wie sie Piloten benutzten, um Raumschiffe zu steuern. Die Simultane Emotio- und Reflex-Transmission ermöglichte es, Gedankenbefehle direkt an die Positronik des Schiffes weiterzugeben, und funktionierte damit schneller als jeder gesprochene oder per Hand eingegebene Befehl. Ein hochkomplexer Vorgang, zu dem bei weitem nicht jeder fähig war. Es bedurfte dazu einer entsprechenden Begabung und langwieriger Schulung.
Sehr falsch lag Savoire mit dieser Assoziation nicht, da war er sich sicher. „Er schläft", sagte Kowa. „Vereinfacht ausgedrückt."
„Ich kann mir vorstellen, wie der Zustand des ..." Er wusste nicht, wie er es nennen sollte. „Du suchst das richtige Wort? Patient?
Versuchskaninchen? Opfer?"
Savoire hielt den Sarkasmus, der sich in dieser Aufzählung spiegelte, für völlig unangebracht. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass die ESCHER-Mitarbeiter nachts durch Terrania schleichen und arglose Leute kidnappen, damit sie hier in die Kreuzkokons geschnallt werden."
„Deine Art gefällt mir von Mal zu Mal besser, Zyklop."
Und mir deine nicht.
„Hier in der Gedankenkammer sind vierundsechzig Menschen im Dienst.
Vierundsechzig hochintelligente Freiwillige, die als Testpersonen dienen und über die modifizierten SERT-Hauben zusammengeschaltet werden. Als Denkelemente, wenn du so willst. Wir nennen sie Prozessoren."
„Prozessoren?"
Kowa seufzte theatralisch. „Du wirst wohl zu denen gehören, die aus humanen oder was weiß ich welchen Gründen den Ausdruck Bio-Prozessoren bevorzugen.
Oder Para-Prozessoren. Fakt ist jedoch, dass ..."
„... dass in der Gedankenkammer ein paramechanisches Netzwerk entsteht."
„Ein Netzwerk, das im nächsten Schritt mit der Positronik im ESCHER-Gebäude gekoppelt werden soll."
„Das heißt ..."
„Da du mich nicht ausreden lässt, sehe ich nicht ein, warum ich dir diese Höflichkeit erweisen sollte." Rodin Kowa lächelte ebenso breit wie falsch. „Es bedeutet, wenn ESCHER vollendet ist, wird eine extrem leistungsfähige Mensch-Maschine-Kreuzung entstanden sein."
*
Laurence Savoire verschlug es die Sprache. Ein Forschungsprojekt in dieser Größenordnung, das darauf abzielte, eine Kreuzung zwischen Mensch und Maschine zu entwickeln. In seinen kühnsten Träumen hätte er sich etwas Derartiges nicht träumen lassen.
Rodin Kowas Blick ruhte auf ihm. Der Leiter des Projekts gönnte ihm keine Zeit, die Überraschung zu verarbeiten. „Der Input der Prozessoren übertrifft schon jetzt sekundenweise alles, was die Plasma-Elemente einer konventionellen Biopositronik oder Hyperinpotronik liefern. Sekundenweise. Genau darin liegt das Problem. Es handelt sich um Zufallstreffer. Wieso und vor allem wie genau sie erzielt werden, bleibt uns bislang ein Rätsel."
Savoire musterte den Schläfer im Kreuzkokon Ost acht. Wie entspannt seine Gesichtszüge waren ... als ob er einfach nur schlafen und nicht an einem der ungeheuerlichsten denkbaren Experimente teilnehmen würde. Die Vernetzung von Mensch und Maschine stellte völlig andere Anforderungen als die von Kowa zum Vergleich herangezogenen Biopositroniken - es ging nicht um rein substanzielle Verbindung, sondern
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