2388 - Objekt Ultra
„Komm zu mir"; sagte der Choi, „oder du wirst verbrennen."
Cosmuel stand der Schweiß auf der Stirn.
Zwar trug sie noch immer die Montur der Friedensfahrer, die sie für eine gewisse Zeit schützen würde - nicht zuletzt konnte sie auch als Raumanzug dienen. Aber wenn sie direkt auf glühendem Metall stand, bedeutete das früher oder später ihren Tod.
Ihr blieb keine andere Wahl. Sie würde kämpfen müssen ... zuerst gegen Forejam Kareis und dann, falls sie ihn besiegte, gegen eine nicht zu überwältigende Übermacht.
Zögernd ging sie den ersten Schritt und trat eine Sekunde später in das Abstrahlfeld.
*
Kantiran musste vorsichtig vorgehen, denn er glaubte Bronwyn Noreed, dass die Choi jede seiner Bewegungen beobachteten.
Er lehnte sich gegen die Wand und sank in die Knie, bis er auf dem Boden saß. Die Beine waren 'angezogen, und wie beiläufig öffnete er die Verschlusskappen der Insektenholster, die er ständig bei sich trug - kleine, um die Beine gebundene Kästen, die jeweils einen ganzen Stamm Dwarmaris beherbergten.
Die winzigen Insekten schwärmten aus.
Kantiran rechnete sich gute Chancen aus, dass die mit bloßem Auge kaum sichtbaren Tiere den Überwachern entgingen.
Kantiran war dank seiner Fähigkeit als Instinkt-Telepath in der Lage, die Dwarmaris zu kontrollieren. Und er konnte auf alles, was die Insekten wahrnahmen, zugreifen, als würde er selbst durch ihre Augen sehen. Allerdings handelte es sich um eine trotz aller Übungen nach wie vor in höchstem Maß ungewohnte Art der Wahrnehmung. Er sah, roch und fühlte aus der Perspektive der winzigen Insekten; was für Kantiran etwa nur seine Hand war, stellte für die Tiere einen gewaltigen fleischfarbenen Berg dar, der eine verwirrende Vielfalt an Gerüchen absonderte.
Dank des Trainings konnte Kantiran glücklicherweise inzwischen recht passabel ihre Wahrnehmung interpretieren.
Er brachte die beiden Insektenvölker dazu, den kleinen Lüftungsschlitzen entgegen zu fliegen und in sie einzudringen.
Danach konzentrierte er sich. Hunderte, Tausende von Lebewesen sendeten ihm Eindrücke ihrer Umgebung. Er teilte sie in vier Gruppen auf und dirigierte sie in verschiedene Richtungen.
Er versuchte sie so zu lenken, dass sie sich nicht weit entfernten, sondern von außen zurück zu seinem Gefängnis kamen; in der vagen Hoffnung, dass in einem Nachbarraum ein Wächter saß und dort eine Möglichkeit bestand, das Transmitterfeld für eine Flucht zu aktivieren.
Allerdings konnte dieser fiktive Wächter, falls er überhaupt existierte, auch an einem weit entfernten Ort im Raumschiff sitzen.
Es kostete alle Konzentration, die Kontrolle über die verschiedenen Insektenschwärme nicht zu verlieren. Sie durchflogen enge Röhren (riesige schwarze Kanäle voller Kälte und sterilem Tod), gelangten in Lagerhallen (viele Düfte, doch keine Nahrung), umschwirrten Choi (Schweiß und Blut und Gier und dicke Schutzpanzer).
Kantiran ließ die Insekten anhalten, wenn sie auf Choi trafen, aber die Insekten waren nicht in der Lage, die Kommunikation der Echsenartigen zu verstehen oder aufzunehmen, sodass Kantiran hätte darauf zugreifen können.
Irgendwann zitterte Kantiran vor Erschöpfung. Er rief die Dwarmaris zurück, schloss die Augen und lockerte die Kontrolle. Die Insekten fanden stets einen Weg zu ihrem Zuhause, den Beinholstern.
Darum musste er sich nicht kümmern.
Also gönnte er sich den Luxus, kurz einzuschlafen.
Als er erwachte, wimmelten die Dwarmaris wieder in ihren Holstern, aber Kantiran war keinen Schritt weiter als zuvor. Und er hatte keine Ahnung, was er noch zu seiner und Cosmuels Rettung unternehmen könnte.
Seine hochtrabenden Pläne waren geplatzt.
*
Forejam Kareis zielte mit einem Strahler auf Cosmuel. „Ich frage mich, wieso ich dich aus deiner Zelle gelassen habe."
Sie wollte sich keine Blöße geben und trat furchtlos auf. „Weil du mich töten wolltest, schon vergessen?" Erst als die Worte heraus waren, dämmerte ihr, was der Choi gesagt hatte. Er hatte genau das getan, was sie von ihm gefordert hatte - sie stand ihm persönlich gegenüber. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass du den Tod verdient hast, aber Bronwyn Noreed hat es mir untersagt, dich ohne seinen ausdrücklichen Befehl zu exekutieren."
Sie witterte ihre Chance. „Und du wirst ihm nicht zuwiderhandeln. Im Gegenteil.
Es gibt keinen Grund, mich zu töten." In den Worten lag alle suggestive Kraft, zu der sie fähig war.
Sie blickte sich um.
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