239 - An der Pforte des Hades
war es das erste Mal seit vielen Jahren, dass Arthur Crow für einige Minuten ratlos war. Doch dann fiel ihm Matthew Drax ein. Niemals würde er dem verhassten Commander den Flächenräumer überlassen!
Er straffte die Schultern und blickte zur Lukenöffnung, in die Ulysses gerade den bewegungslosen Onkel Billy ablegte. In seinem Rücken tauchte Penthesilea auf. »Auftrag ausgeführt. Implantat-Träger geborgen. Tot«, leierte sie mit merkwürdig scheppernder Stimme. Offenbar hatte die Kälte auch in ihrem System Spuren hinterlassen. Sie schaffte es nicht einmal, den Leichnam über die Rampe zu schieben.
Ulysses kam ihr zur Hilfe, auch er stark verlangsamt in seinen Bewegungsabläufen.
Als Arthur Crow erkannte, was die beiden durch die Luke hievten, sprang er wie von der Tarantel gestochen auf.
Das war kein toter Hydrit! Es war der Kadaver eines Hundes! Einer dieser britischen Pitbulls, auch sie mit einem Implantat ausgestattet. Er war einer falschen Spur gefolgt!
Hin und her gerissen zwischen Erleichterung und Ärger schnarrte Crow: »Schafft diesen Abfall nach draußen! Und dann überprüft in euren Speichern die Unterscheidungsmerkmale von Fisch und Fleisch.«
Die Kälte erwies sich als echtes Manko. So ein Fehler durfte den Warlynnes nicht unterlaufen.
***
Weit nach Mitternacht erwachte Matt schlaftrunken in der Haupthöhle des Einsiedlers. In seinem Rücken prasselte das Feuer und von irgendwoher hörte er leise Stimmen. Seine Hand tastete nach Aruula. Doch der Platz neben ihm war leer.
Der Mann aus der Vergangenheit riss die Augen auf und war nun endgültig wach. Sein Lager lag im Halbdunkel. Das Kaminfeuer warf flackernde Schatten an die Decke über ihm. Suchend wanderten Matts Blicke durch den Raum. Er entdeckte Aruula am Tisch. Kerzenlicht lag auf ihrem Gesicht, das Chacho zugewandt war. Sie sah traurig aus.
Matt wollte schon aufstehen, weil er glaubte, es gäbe schlechte Neuigkeiten von dem Sebezaan, der am Abend nicht von seiner Jagd zurückgekehrt war. Doch dann hörte er den Einsiedler sagen: »Noch Jahre nach dem Tod meiner Mutter erwachte ich morgens bei den Pachachaos und glaubte, sie müsse jeden Augenblick zur Tür herein kommen. Heute ist sie für mich so etwas wie eine Abrigo-Pacha. Ein Schutzengel, verstehst du?«
Aruula nickte. »Bei uns nennen wir ihn Elnak. Und jeder Elnak hat einen Namen, den man aber in seinem Herzen bewahren muss.« Dann hörte Matt sie über den Tod ihrer eigenen Mutter sprechen: Er kannte die Geschichte. Dennoch berührte sie ihn aufs Neue.
Aruula war noch ein kleines Mädchen gewesen, als sie, ihre Mutter und einige Leute ihrer Sippe in ihren Booten überfallen wurden. Sie hatte als Einzige überlebt. Die Frauen des Volks der Dreizehn Inseln waren Telepathen – Aruula nannte sie Lauscherinnen – und daher bei anderen Völkern heiß begehrt. Aufmerksam lauschte Matt ihren Worten, als sie erzählte, wie ein Barbarenstamm um den Häuptling Sorban ihre neue Familie wurde.
Auch Chacho hörte ihr aufmerksam zu. Matt bemerkte, dass der Einsiedler immer näher an Aruula heran rückte und schließlich sogar ihre Hand in die seinen nahm. Er überlegte schon, ob er aufstehen und sich zu den beiden setzen sollte, um die plumpen Annäherungsversuche des Einsiedlers zu unterbinden, da kam ein Scharren vom Eingang der Höhle her.
Es war Sable, der keinen besseren Zeitpunkt für seine Rückkehr hätte wählen können. Zufrieden registrierte Matthew, wie Chacho endlich die Hand seiner Freundin losließ und aufstand. Auch Matt erhob sich; bei dem Radau hätte er niemandem mehr weismachen können, dass er schlief.
Sable war verletzt. Sein linkes Auge fehlte, und zwischen seinen blutigen Fängen – Matt traute seinen Augen nicht – trug er einen Blitzstab.
»Hydriten!«, folgerte Matthew. »Sie müssen irgendwo in der Nähe sein.« Nach einem prüfenden Blick in das Raubkatzengesicht war er sich ziemlich sicher, dass die Wunde von dem Blitzstab herrührte.
Chacho nahm die Waffe aus dem Maul des Tieres und reichte sie Matt. Dann begann er Sables Wunde zu versorgen. »Wenn diese Hydriten tatsächlich das Gebäude in der Risswelt bewohnen«, sagte er dabei, »wie kommen sie dann hierher? Es liegt Hunderte von Kilometern entfernt.«
»Ich kann es nicht sagen.« Nachdenklich inspizierte Matt die Hydritenwaffe. »Fakt ist: Sie sind hier. Die Gerüchte, dass Fischmenschen bei der britischen Station gesehen wurden, stimmen also.« Er wandte sich an den Einsiedler.
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