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239 - An der Pforte des Hades

239 - An der Pforte des Hades

Titel: 239 - An der Pforte des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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übertönten das Klagen und Weinen der Menschen. Geräusche von brechenden Knochen drangen an ihr Ohr.
    Panisch stolperte sie vorwärts. Sie musste die Höhlen erreichen! Die kleine Rose jammerte in ihren Armen. Lityi strauchelte. Sie fiel. Keuchende Pachachaos jagten an ihr vorbei. »Steh auf!«, brüllte einer sie an. Im nächsten Augenblick riss ihn ein zuschnappendes Maul von den Füßen.
    Lityi schrie. Sie wagte nicht mehr aufzustehen. Mit den Armen umklammerte sie ihre Tochter, während sie auf den Knien durch den Schnee rutschte.
    Doch sie kam nicht weit. Ein scharrendes Geräusch ertönte, dann spürte sie einen brennenden Schmerz an ihrem Bein. Mit einem heftigen Ruck wurde sie nach hinten gerissen. Sie sah noch, dass es drei Tentakel waren, die sich um ihr Bein gewickelt hatten. Dann wurde ihr schwarz vor den Augen.
    Vorbei, dachte sie, vorbei. Sie spürte kaum noch die kleinen Hände ihrer schreienden Tochter, die sich verzweifelt an ihre Schultern klammerten, und nahm nicht mehr wahr, wie die Kreatur ihren Körper durch den Schnee schleifte.
     
    ***
     
    23. März 2525
    Matt, Aruula und Chacho saßen am Tisch in der Wohnhöhle. Vor ihnen lag das aufgeschlagene Notizbuch des Einsiedlers. Matts Finger glitten über die Seiten. »Das hier bedeutet Schleuse, das hier Zone. Dies hier ist das Zeichen für Rot, das daneben heißt Zugang«, übersetzte er. »Allmächtiger… Hier steht: Achtung, Fluktuationsbereich! Und das hier bedeutet so viel wie Kein Zugang für Unbefugte.«
    Der Mann aus der Vergangenheit war aufgeregt bis in die Haarspitzen. Er war sich sicherer denn je, dass die Aufzeichnungen mit dem Flächenräumer zu tun hatten. Umso mehr interessierte ihn, was Chacho darüber zu berichten wusste. Er hatte angedeutet, sie in einer Risswelt gefunden zu haben.
    »Bitte erzähl uns mehr darüber«, drängte ihn Aruula. »Was ist das für eine Welt?«
    Ein dunkler Schatten glitt über das Gesicht des Einsiedlers. Er räusperte sich und zupfte nervös an einer Strähne seiner zotteligen Haare. »Meine Sippe lebte damals weit entfernt in den Spalten des Eisfeldes. Mein Vater hatte sie bei einer seiner Expeditionen entdeckt. Die Risse im Eis reichten tief hinab bis zu einem stählernen Gebäude, das wir zwar nicht betreten konnten, in dessen Winkeln wir aber Schutz fanden.« Er deutete auf seine Aufzeichnungen. »Diese Zeichen habe ich von den Wänden abgemalt.«
    Chacho berichtete, dass seine Leute vor Jahren beim Angriff wilder Tiere ums Leben gekommen waren. Keiner der Pachachaos hatte überlebt. »Nur ich blieb übrig«, sagte er bedrückt. Er berichtete, dass zuvor Angehörige seines Volkes spurlos verschwunden waren. Vielleicht, so vermutete er, waren sie irgendwie in das Gebäude gelangt.
    »Ich brach auf, um in Georgshütte Besorgungen zu machen«, erzählte er. »Dort erfuhr ich von fremdartigen Kreaturen, die seit einiger Zeit in der Gegend ihr Unwesen trieben. Man beschuldigte die Clarkisten, für diese Monster verantwortlich zu sein.«
    Matt und Aruula warfen sich viel sagende Blicke zu. Sie wussten von der fünf Kilometer durchmessenden Hohlkugel, dem Sanktuarium, das die Clarkisten angebohrt hatten und aus dem etliche Tiere und Pflanzensamen entkommen waren. Unter anderem auch die so genannten Barschbeißer; Matt zweifelte nicht daran, dass es sich bei den »Monstern« um diese Spezies handelte.
    »Die Georgshütter hatten die Kreaturen mit schwerem Geschütz vertrieben – genau in Richtung der Risswelt.« Der Einsiedler stockte in seiner Erzählung. Gedankenversunken starrte er auf seine Notizen. Mit brüchiger Stimme fuhr er fort: »Ich habe mich sofort auf den Rückweg gemacht. Aber es war schon zu spät…«
    Wieder stockte er. Mit gesenktem Kopf berichtete er dann, dass er tagelang nach Überlebenden gesucht hatte, oder wenigstens nach deren Überresten. Vergeblich! »Schließlich verließ ich die Anlage, nahm einige Habseligkeiten als Erinnerungsstücke mit und siedelte mich nach einer langen Odyssee hier in dieser Höhle an. Ich…« Chachos Stimme brach. Die schmerzvolle Erinnerung an die vergangenen Ereignisse hatte ihn überwältigt. Schwerfällig schob er seinen Stuhl zurück und ging mit schleppenden Schritten in die hintere Höhle.
     
    ***
     
    »Sie sind nicht mehr zu sehen!«, rief Agat’ol und wandte sich in seinem Sitz wieder der Bugscheibe zu. »Ich glaube, wir haben sie abgehängt.«
    »Das hast du vor einer Stunde auch schon gesagt, und dann waren sie doch wieder da.«

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