2391 - Die Schwarze Zeit
und Fauna nahm und, falls sein biochemisches Laborsegment Verträglichkeit mit dem ertruhumanoiden Metabolismus feststellte, das eine oder andere Tier erlegte und die Filetstücke in den Kochschrank brachte.
Milla fand Gefallen an dem ungezähmten Klima; er wanderte sogar während der Stürme umher. Manchmal nahm ihn auch Carely mit auf einen Spaziergang. Carely war Neuroprothetikerin, Fachfrau für Schnittstellen zwischen neurobiologischem Gewebe und positronischen Steuerungselementen und Kommandostrukturen. Als solche kümmerte sie sich weniger um das Projekt als um Daellians Medotank. „Er nennt mich seine Sarg-Wartin", sagte sie und lachte.
Außerdem hätte sie eine passable Exobiologin abgegeben. Die Flora und Fauna von Jonathon faszinierte sie. Sie zeigte Milla Tiere und Pflanzen, setzte ihm ihre Lebensweise auseinander, präsentierte ihm Holografien von Feuerstelzern und wandernden Mooslawinen. Jonathon war eine ziemlich witzige Welt, auf der sich allerdings einige unwitzige Lebewesen herumtrieben - die Lampions zum Beispiel. Vor allem aber war Jonathon nicht so befleckt von Erinnerung wie Trevala, Terra oder Ertrus. Und das tat Milla gut.
Der Porzellanwald breitete sich weit ins Land aus. Die Bäume erreichten Höhen von dreißig oder mehr Metern, der Stamm schimmerte in einem keramischen Weiß.
Gelegentlich blähten sich ihre Schirmkronen auf wie Quallen und entließen dünne Sporenwolken, die der Wind verwirbelte. Das Unterholz des Waldes bildeten leicht phosphoreszierende Pflanzenbüsche, die Glühkugeln.
Am Abend des 4. Februar besuchte Gloria ihn an der Schachtel. Er saß auf der Veranda und aß knusprige Phantomkirschen. Immerhin hatte das Besteck ertrusisches Format. Besonders die Gabel aus Terkonit lag mit ihren sechzig Zentimetern gut in der Hand. „Mit solchen Dingern haben früher die Teufel gearbeitet", sagte Gloria mit einem Blick auf das Prunkstück. „Was sind Teufel?"
„Oh, Teufel. Sie sehen ungefähr so aus wie Cheborparner und haben früher auf Terra gearbeitet. Aber eher unterirdisch. In Höhlen."
Milla grinste. Gloria wollte ihm Märchen erzählen. Er bezweifelte, dass Teufelterraner mit solchen Gabeln fertig würden. Sie waren viel zu schlapp, um sie zu heben. „Hast du Lust auf einen Abendspaziergang?"
Milla hatte eine 72-Stunden-Schicht hinter sich; er war müde, wollte es ihr aber nicht abschlagen. „Soll ich dir das Essen warm halten?", rief ihm die Roboterspinne zu. „Ja, bitte!"
Sie gingen los, tief in den Porzellanwald hinein.
Milla fasste einen der glänzenden Stämme an. „He, der ist klebrig!" Er zog, aber die Fingerkuppen hingen fest. Erst als er mit der linken Hand das Gelenk der rechten umfasste und mit aller Gewalt daran riss, lösten sich die Finger mit einem Schmatzen.
Carely lachte. „Fast gefangen, was?"
„Der Baum mag mich halt", sagte er und grinste. „Außerdem: Wenn ich den Mikrogravitator abstelle, bin ich wieder richtig stark, und dann hätte der Baum natürlich keine Chance."
„In Wirklichkeit sind das keine Bäume", verriet Carely. „Es sind Pilze. Genauer: Der ganze Wald ist ein einziger Pilz."
„Ich zähle aber ... hm ... ganz bestimmt über hundert Riesenpilze hier."
„Das sind nur die Fruchtkörper des Pilzes.
Sein Myzel liegt unterirdisch. Viele Dutzend Quadratkilometer. Und er ist uralt, viele tausend Jahre. Und sehr, sehr hungrig. Schau mal."
Carely wies nach oben. Aus dem Schirm schwebte ein kleines Tier. Milla hatte gute Augen: Es war eine weiß gefiederte, handspannengroße Echse. Die Echse landete sanft neben den beiden, legte das Köpfchen schräg, faltete ihr Gefieder ein und lief los.
Aus ihrem After stieg hier und da ein dünner Rauchfaden auf. Es roch herbsäuerlich. „Muss sie zum Klo?", fragte Milla. „Im Gegenteil, sie jagt! - Warte." .
Die Echse verschwand zwischen den phosphoreszierenden Glühkugeln. Es dauerte zwei, drei Minuten, da zischte die kleine Echse heran, verfolgt von einem Tier, das aussah wie ein Seestern, der auf allen sieben Armen lief. „Will er die Echse fressen?"
Carely lachte. „Der Poryd ist blind. Er orientiert sich nach Gerüchen. Für ihn riecht die Federechse wie ein - nun, ein besonders liebenswertes Weibchen."
Mit zwei, drei Sätzen war die Federechse am Stamm des Porzellanbaumes und kletterte daran hoch. „Warum klebt sie nicht fest?"
„Oh, ihre Füße weisen den Bioleim ab, den der Porzellanbaum absondert."
Blind vor Liebe sprang der Poryd der Echse nach, klebte aber
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