2391 - Die Schwarze Zeit
in dem Silo unterstellen könnten. Und auf ihre Spitze könnten wir eine zweite Cheopspyramide stellen, ohne dass es eng würde darin."
Daellian sah, dass Milla überlegte. „Das würde ich aber nicht tun. Das könnte wacklig werden."
Für einen Augenblick stellte sich Daellian vor, wie die beiden Pyramiden Spitze auf Spitze balancierten. „Ja. Haben wir uns auch gedacht, und deswegen haben wir es gelassen."
Der Ertruser nickte verständnisvoll. „Und was habt ihr stattdessen hineingepackt?"
Daellian zögerte einen Moment. Aber dann überwog eine Art Stolz. „Willst du es sehen?"
Millas Gesicht rötete sich. Er nickte.
*
Die Pyramiden, dachte Milla, waren nichts anderes als viel zu groß geratene Gräber.
Sie hätten als Friedhof für Titanen gepasst, Titanen, wie Milla sie noch nie gesehen hatte. Gräber waren ihm überhaupt sehr unsympathisch. Alles, was mit dem Tod zu tun hatte, mochte er nicht. Der Tod war so herrisch. Er ließ nicht mit sich reden.
Wenn diese Silo-Klötze gebaut worden waren, um gleich mehrere Riesengräber zu verpacken - aber hatte Daellian das gesagt?
Besser einmal nachfragen. „Sind diese Silos auch Särge?"
Daellian schien nachdenken zu müssen, denn er antwortete nicht sofort. Dann sagte er: „Ich hoffe nicht."
„Gut. Dann schaue ich sie mir an", entschied Milla.
Sie gingen los. Es war früher Mittag, Jona stand noch nicht im Zenit. Die beiden zylindrischen Montagehallen warfen einen tiefschwarzen Schatten. In diesem Schatten lagen zwei niedrigere Gebäude: die Steuereinheit und der Leitstand.
Während sie sich näherten, sprach Daellian vor sich hin. Ein Strom von Daten, Zahlen und Funktionsbezeichnungen rauschte an Milla vorbei, für den Ertruser lauter unverständliches Technogeblubber.
Immerhin verstand er einige Daten: 400 Meter hoch, 350 Meter im Durchmesser.
Die Silos wirkten kompakt, wuchtig, unverrückbar. Zwei Säulen, wie die Pfosten eines Tores, durch die hindurch - ja, was? Welches Tor in welche Welt stellten sie dar?
Die Hülle des Silos wuchs vor ihnen auf.
Daellian und Milla traten durch eine Schleuse. Der Innenraum verschlug Milla zunächst den Atem. Er sah eine ungeheure Höhle, eine mechanische Kathedrale, in der es von Technikern und Maschinen wimmelte.
Inmitten des Innenraums stand ein zylindrischer Aggregatblock, ein wuchtiges Gerät, 200 Meter hoch und 200 Meter im Durchmesser. Der Block ruhte auf einer 50 Meter dicken Bodenplatte aus einem fugenlosen, graublauen Material.
Oben lag eine gleich große Scheibe. Beide Platten maßen 250 Meter und ragten damit weit über den Kernzylinder hinaus.
Um die Innenwände des Silos zogen sich zahlreiche Galerien; Kräne und Arbeitsbrücken verbanden die Silowände mit dem Meiler, zahllose Rohre, Kabel und Leitungen. Einige Leitungen glühten in einem dunklen Rot und pulsierten, Milla vernahm leises Wispern und ein untergründiges, langsames Pochen, beinahe überlagert von dem Geräusch der Kühlaggregate, die die Hitze in den Silos milderten. Immer wieder reichte ein Kran von der Galerie oder von einer Antigravplattform aus Maschinen und Bauteile an, die im Meiler verschwanden.
Es sah aus, als würde das Ding gefüttert. „Was ist das?", fragte er Daellian mit gedämpfter Stimme. Milla konnte dem gewaltigen Block seine Aufgabe nicht ansehen, aber das verwirrte ihn nicht. Es gab kaum eine Maschine, von der er hätte sagen können, wozu sie diente.
Daellian schien kurz zu stocken, als wolle er etwas sagen, könne es aber nicht. Dann sagte er: „Dieser Meiler ist Teil des Algorrianschen Kontext-Wandlers. Sein Gegenstück wird im Nachbarsilo moniert."
„Was tun sie?"
„Noch nichts. Ihnen fehlt noch das Herzstück; die Ultra-Injektoren. Die werden zurzeit im Z-Pavillon hergestellt."
Milla dachte: Wenn es kein Herz hat - was pocht dann da?"
„Auch einige andere Komponenten müssen noch produziert werden, zum Beispiel ..."
Milla kannte keine der Bezeichnungen, die Daellian nun aufzählte, aber es hatte sich ihm ein anderes Wort eingebrannt: das Herzstück.
Natürlich wusste er, dass auch andere Geräte Herzstücke besaßen, ohne dass sie deswegen lebten. Aber dieser Meiler hatte etwas Organisches an sich, wie er da stand: umgeben von Röhrengeflechten, eingewickelt in Kabelbäumen, mit den Überwachungsorganen und Schaltpulten verbunden, über materielle Leitungen oder Energieprojektionen vernabelt mit den Generatoren, die vor sich hin wisperten.
Wie ein Embryo steckte der Meiler
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