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2392 - Die vergessene Stadt

Titel: 2392 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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der AHUR, Semion Ankar. „Der Mann treibt offenbar seit längerer Zeit mit einem undichten Anzug durch den Weltraum. Anders ist der Eispanzer nicht zu erklären. Vorsicht ist angebracht, wollen wir eine Zersetzung der Körpersubstanz des Toten vermeiden."
    „Ich bitte Sie, Ihre Entscheidung zu überdenken", sagte Domo Sokrat. „Bei den Untersuchungen spielt der Zeitfaktor eine gewisse Rolle. Schließlich wollen wir die anderen Schiffe des KombiTrans-Geschwaders so rasch wie möglich finden."
    Semion Ankars Oberauge zuckte kurz. Er hatte wohl das Planhirn zugeschaltet. „Ich akzeptiere", sagte er schließlich. „Ihre strategischen Beweggründe wiegen schwerer als meine wissenschaftlichen."
    „Danke sehr." Domo Sokrat deutete eine Verneigung an. Eine Geste, die er sich von Atlan und den Terranern abgeschaut hatte und die heutzutage vom Volk der Haluter als exotische Form der Höflichkeit angesehen wurde.
    Semion Ankar ließ sich mitsamt seiner Ausrüstung in die Schutzschirmblase einschleusen. Auf robotische Hilfestellungen verzichtete er. Auch dachte er nicht daran, seine Körpersubstanz zu verhärten. Er näherte sich dem Stuhl mit langsamen, fast zögerlichen Schritten.
    Mit den Fingerkrallen zog er lange, genau bemessene Furchen ins Eis. Er ging dabei gerade so tief, dass er den Anzug des Toten nicht verletzte. Anschließend übte er seitlich ein wenig Druck aus. Der Eispanzer zerbarst, gab die Sicht auf den Menschenähnlichen vollends frei. „Unsere erste Vermutung stimmt", sagte Semion Ankar. „Den Äußerlichkeiten nach zu urteilen, handelt es sich um einen Lemurer. Allerdings bemerke ich einen goldenen Schimmer und azurblaue Einfassungen in den Augen des Toten."
    Ankars breiter Leib versperrte Domo Sokrat die Sicht auf ihren Fund. Die ausgeschwärmten Minikameras zeichneten jedoch ausreichend gute Bilder aus allen Perspektiven. „Weit aufgerissene Augen", fuhr Ankar seine Analyse fort, „und gleichzeitig eine Mimik, die möglicherweise große Freude ausdrückt."
    „Korrekt", bestätigte Domo Sokrat. Er hatte lange genug mit Menschenähnlichen zu tun gehabt, um ihre Stimmungslage anhand der Gesichtsmuskulatur einschätzen zu können.
    Semion Ankar arbeitete ruhig weiter.
    Domo Sokrat ließ ihn gewähren. Er wollte keinen Druck auf den Wissenschaftler ausüben. Sein Landsmann, gut 500 Jahre älter als er selbst, hätte dieses Vorgehen womöglich als Beleidigung ausgelegt.
    Irgendwann ließ Ankar die Schutzschirme rings um seinen Arbeitsbereich wegschalten. Domo Sokrat und mehrere Interessierte rückten näher.
    Vom Toten und seinem Umfeld ging keinerlei Gefahr aus, so viel stand fest. Der Stuhl war trotz seines prächtigen Aussehens primitiv. Dahinter steckte nicht einmal ein Bruchteil jener Technologie, deren sich die Lemurer vor 55.000 Jahren bereits bedient hatten. Andererseits: Für einen Stuhl war das auch nicht unbedingt nötig. „Der Schutzanzug dieses Mannes ist nicht dafür ausgelegt, seinen Träger über längere Zeit im All am Leben zu erhalten", zog Semion Ankar ein erstes Resümee. „Auch reichen die Atemluftpatronen bloß für kurze Zeit. Für zwei Stunden, vielleicht etwas länger. Das Gewand, das der Tote unter dem Schutzanzug trägt, erinnert an eine Robe. Ein Gewand, das er möglicherweise für rituelle Gelegenheiten benutzte."
    „War er etwa ein Priester, der durch den Freitod einer spirituellen Aufgabe folgte?", sinnierte Domo Sokrat. „Lemurer und ihre Abkömmlinge streben oftmals danach, Gottesgestalten anzubeten, die ihnen den Sinn ihrer Existenz erklären - und ihnen durch Hingabe besonders nahezukommen."
    „Mag sein", sagte Semion Ankar. „Darüber möchte ich mich erst nach einer gründlicheren Untersuchung äußern."
    „Einverstanden.". Domo Sokrat wechselte das Thema. „Was können Sie mir über den Stuhl sagen?"
    „Der Tote wurde mit einfachen Zugbändern und metallenen Fesseln festgeschnallt. Die Verarbeitung ist zwar schön anzusehen und das Plastmetall mit rituellen Symbolen überhäuft, aber der Stuhl birgt keinerlei Geheimnisse. Er ist weder steuerbar noch mit zusätzlichen Schutzvorrichtungen versehen. Mehrere kleinere Verbrennungsdüsen haben unserem unbekannten Freund ein minimales Bewegungsmoment mitgegeben, und das war's auch schon." Seltsam.
    Domo Sokrat rief sein Planhirn zurate, kam aber zu keinen weiteren Erkenntnissen. Die Umstände, die zum Tod des vermeintlichen Lemurers geführt hatten, blieben rätselhaft. „Wie lange, meinen Sie, war er

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