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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht unwesentliche Dienste leistete. Natürlich hielten wir ihre Anwendung geheim. Später, als wir uns an diese wirklich ausgezeichnete und delikate Speise gewöhnt hatten, lernten wir auf den aus den Sitzkissen stammenden Schutz unserer Geruchsorgane zu verzichten.
    Man hatte mich zur rechten und Halef zur linken Hand der Herrin gesetzt. Der Scheik saß an meiner andern Seite. Er bewährte sich immer mehr als eine etwas unkultivierte Ansammlung aller möglichen Sorten von Gutmütigkeit. Bei Anwendung nur einiger Vorsicht war es wirklich fast unmöglich, sich mit ihm zu entzweien. Wir erkannten mehr und mehr, daß seine Frau die eigentliche Regentin des Stammes war und daß sie unter Umständen auf das Urteil des Sahahr viel mehr gab als auf die Meinung ihres Mannes. Aber diese Achtung war auch alles, was sie dem Zauberer widmete. Lieb und gern haben konnte sie ihn nicht, weil sie die Freundin des Dschirbani war.
    Geraucht wurde nicht. Ich will hier gleich ein für allemal sagen, daß die Ussul überhaupt nicht rauchen, weil sie den Tabak für ein sehr schädliches Gift und seinen Rauch für belästigend und störend halten. Das bedeutete für zwei Raucher, wie Halef und mich, einen nicht ganz geringen Verzicht. Einem anderen Gift aber, welches sogar als Doppelgift bezeichnet wird, hatten sie nicht entsagen können, nämlich ihrem Simmsemm, welches in zwei großen Krügen auf der Tafel stand, die beide, als das Essen vorüber war, vollständig ausgetrunken worden waren. Die Scheikin trank nicht davon, Halef nicht und auch ich nicht. Darum glaubte der Scheik, dem dieses Gift sehr behagte, uns eine Begründung schuldig zu sein, und die brachte er, indem er behauptete, daß man wegen der Feuchtigkeit des Landes gezwungen sei, Simmsemm zu trinken.
    „Auch ihr werdet schon noch trinken, wenn ihr nur erst lang genug hier gewesen seid!“ fügte er hinzu. „Es ist ja allbekannt, je trockener das Land ist, desto weniger braucht man Gift!“
    „Es gibt aber Leute, welche ganz das Gegenteil behaupten“, widersprach ich ihm. „Nämlich, je trockener das Land ist, desto mehr müsse man trinken.“
    „Nun, so mögen sie es tun!“ lachte er. „Jeder Mensch findet einen Grund, das Gift, welches er für nötig hält, zu verteidigen!“
    Es muß indes erwähnt werden, daß die Ussul außerordentlich viel vertragen konnten. Hätte ich nur den vierten oder fünften Teil dessen getrunken, was der Mäßigste von ihnen trank, so wäre mir ein ‚Sergoschluk el Sergoschluk‘, wie Halef sich gern auszudrücken pflegte, nämlich ein ‚Rausch der Räusche‘, wohl bombensicher gewesen. Diese stämmigen Menschen aber wurden nur heiter und etwas gesprächiger davon, und da habe ich freilich zuzugeben, daß diese Wirkung des Giftes eine mir sehr angenehme und willkommene war. Die Unterhaltung gestaltete sich hierdurch viel angeregter und lebhafter, und es wurde uns dadurch eine Konferenz erspart, die nach dem Essen abgehalten werden sollte, nun aber schon während desselben erledigt wurde.
    Diese Konferenz betraf erstens mich und Halef, oder vielmehr unsere Aufnahme in den Stamm der Ussul, und zweitens unsern Feldzug gegen die Tschoban. Ich hatte mir diese Konferenz als sehr kompliziert, sehr erregt und sehr lange dauernd vorgestellt; nun aber vollzog sie sich so außerordentlich schnell und kurz, wie ich es gar nicht für möglich gehalten hatte. Und das brachte der weibliche Scharfsinn und die weibliche Pfiffigkeit fertig, die sich auch hier, wie sooft, meinen Gedanken überlegen zeigte. Man hatte nämlich gehört, daß es in Europa bei derartigen Trinkgelegenheiten Leute gebe, welche ein volles Glas in die Hand nehmen und eine Rede halten. Ich wurde gefragt, ob dies wahr sei und welchen Zweck eine solche Rede habe. Ich erklärte es ihnen zunächst theoretisch und sodann auch praktisch, indem ich meine volle Simmsemmtasse, die ich gar nicht hatte berühren wollen, ergriff und einen Trinkspruch auf das Wohl der Ussul, ihres Scheiks und ihrer Scheikin hielt. Die Sache wurde nicht nur sofort begriffen, sondern auch für höchst nachahmenswert gehalten. Die Herrin ging den andern mit ihrem Beispiel voran, und zwar ganz ohne Zaudern. Kaum hatte ich ausgesprochen, so nahm auch sie die vor ihr stehende Tasse zur Hand und erhob sich von ihrem Sitz, um mir zu antworten. Sie freute sich, daß ich ihr Volk lobte. Sie schloß aus diesem Lob, daß es mir lieb sein würde, ein Ussul werden zu können. Sie erwähnte das Gesetz, nach dem jeder

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