24 - Ardistan und Dschinnistan I
Flugsand, fast wie Mehl so fein! Von dem Wind aus der Wüste der Tschoban über die Landenge herübergetragen. Und er ist tief, sehr tief. Kein einziger Grashalm läßt sich sehen! Ich glaube, hier wird kein einziger Tropfen Wasser zu finden sein.“
„Warten wir es ab! Wer nach Wasser sucht, der darf nicht nach dem Sand der Oberfläche urteilen. Die darunterliegende Formation hat das entscheidende Wort zu sprechen.“
„Aha! Jetzt kommt wieder deine berühmte Ilmi tabakat-i-arz! Laß sie sein; laß sie sein! Ich mag nichts von ihr hören! Wenn wir Wasser finden, bin ich zufriedengestellt, denn nicht die Ilmi, sondern das Wasser will ich haben!“
„So komm! Ich hoffe, wir werden es finden!“
Wir ritten weiter. Die Wolke war inzwischen fortgegangen; darum funkelte der Engel wieder, doch nicht für lange Zeit, denn je mehr wir uns dem Felsen näherten, um so mehr veränderte sich sein Sonnenwinkel zu uns, und endlich waren all die strahlenden Reflexe verschwunden, obgleich die Sonne noch immer schien. Und nun sahen wir etwas, was mich mit Freude erfüllte. Nämlich der Felsen des Engels war, obgleich er mitten in unfruchtbarem Flugsand lag, von Sträuchern umgeben, über welche sogar die kräftigen Wipfel einiger Bäume emporragten. Und ringsum wuchs Gras, welches umso gesünder und saftiger war, je näher es dem Engel stand.
„Sihdi, du hattest doch Recht. Es gibt hier wirklich Wasser“, sagte Halef, indem er sein Pferd traben ließ, um die letzte Strecke schnell zurückzulegen. Ich aber blieb bei dem bisherigen Tempo. Ich wußte wohl, was er beabsichtigte. Er wollte vor mir am Felsen sein, um des Ruhmes willen, das Wasser entdeckt zu haben. Er pflegte dann aber fast stets das Gegenteil von dem zu erreichen, was er erreichen wollte. So auch dieses Mal. Als ich bei dem Engel ankam, war Halef schon längst vom Pferd gestiegen und kroch hin und her, rund um den Felsen herum, ohne aber eine Spur von Wasser zu finden. Ich wartete geduldig, bis er schließlich eingestand:
„Ich finde nichts, Sihdi, gar nichts! Wir haben uns getäuscht.“
„Das glaube ich nicht“, antwortete ich.
„O doch! Wäre Wasser hier, so müßte ich es doch finden!“
„Warum grad du? Bist du klug genug dazu?“
„Ich denke doch!“ fuhr er auf.
„Wirklich? So hast du also nachgedacht, ehe du suchtest?“
„Nein. Ich habe eben gesucht. Ist das nicht genug?“
„Ja, es ist allerdings genug, nämlich um nichts zu finden! Schau, ich bin noch nicht einmal vom Pferd gestiegen. Vielleicht suche ich gar nicht, sondern ich bleibe im Sattel sitzen und finde das Wasser doch. Und warum? Weil ich überlege, anstatt blind daraufloszusuchen.“
„Erlaubst du mir, mit zu überlegen?“
„Ja. Zwei bringen immer mehr fertig, als nur einer.“
„So laß uns anfangen nachzudenken! Wer soll beginnen? Ich oder du.“
„Du natürlich, denn du bist eher dagewesen, als ich.“
„Ich danke dir, Sihdi! Aber beim Nachdenken ist es immer besser, daß du den Ersten machst, und ich komm später dazu, um die Sache zu bestätigen. Denn, weißt du, in der Bestätigung liegt ja alles!“
„Sehr richtig! Fangen wir also an! Du wirst gleich sehen, wie schnell wir auf das Wasser kommen, ohne daß wir lange suchen. Sag mir vor allen Dingen, wo es zu finden ist!“
„Sonderbare Frage!“ antwortete er verwundert. „Natürlich da unten, in der Erde! Hoffentlich suchst du es nicht da oben in jener Wolke, die übrigens nun vorüber ist!“
„Spotte nicht, sondern denke nach! Was nützt es uns da unten? Wir brauchen es hier oben!“
„Das weiß ich ebensogut wie du! Es wird wohl eine Stelle geben, die da hinunterführt!“
„Aber wo?“
„Das weiß ich nicht.“
„So such nach ihr!“
„Suchen? Ich? Höre, Effendi, ich begreife dich nicht! Erst lachst du mich aus, daß ich gesucht habe, ohne vorher nachzudenken, und nun störst du mich im tiefsten Nachdenken, damit ich suchen soll! Ich sage dir, mein Nachdenken ging so tief, daß ich beinahe schon unten beim Wasser war! Warum hast du mich gestört? Wenn ich nun nichts finde, bist nur du daran schuld!“
„Ich habe nicht gemeint, daß du ausschließlich nur denken und sinnen sollst. Du sollst auch sehen! Schau dir den Felsen des Engels an! Meinst du, daß seine Gestalt eine rein natürliche, nur zufällige ist? Je länger ich ihn betrachte, desto wahrscheinlicher kommt es mir vor, daß Menschenhände nachgeholfen haben. Das Wasser in der Wüste gleicht einem Rettungsengel. Dieser Stein
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